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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Schatten lag hinter den vier bunten Buchstaben vor der Walschnauze. Offenbar hatte Mama, während Oskar und ich vorhin bei der Eisdiele waren, ihre nagelneue Plastikhandtasche schon zum Verkauf angeboten.
    Als ob das eilig wäre. Mama hat doch selber gesagt, wir hätten durch die Erbschaft von Onkel Christian jetzt genugGeld. Wahrscheinlich will sie das hässliche Ding nur so schnell wie möglich loswerden. Trotzdem frage ich mich nach jeder Handtasche, die sie mit der Post wegschickt, wer diese billigen Bingo-Dinger eigentlich kauft.
    Außerdem frage ich mich, warum ich vergessen habe, mir von Herrn van Scherten die mitgebrachte Schokolade geben zu lassen. Dann würde ich mich nämlich jetzt nicht so trostlos fühlen.

 
    Â 
    Asseln sind Tierchen mit grauen Panzern. Ich hab mal welche im Hinterhof gesehen, als der Mommsen dort aufräumte. Sie haben kurze Beine und noch kürzere Fühler, und sie leben unter dicken Steinen, denn sie mögen es dunkel und feucht. Wenn man so einen Stein umdreht, werden sie schrecklich aufgeregt, rasen wie winzige Kettenfahrzeuge durch die Gegend und suchen nach einem neuen Versteck. Mit etwas Pech fallen sie dabei in ein Schlammloch, und dann war’s das. Ihr schwerer Panzer zieht sie erbarmungslos nach unten, sosehr sie auch strampeln. Sie winken ihren Asselkumpels noch ein letztes Mal mit einem Fühlerchen zu, und dann saufen sie ab. Deshalb nennt man jemanden, der in einer schwierigen oder ausweglosen Lage steckt, eine Schlammassel.
    Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie die größte Schlammassel aller Zeiten. Oskar lag auf der Blümchenwiese in seinen Schlafsack gekuschelt. Mama schlief nebenan unter ihrer Lieblingsbettdecke mit Delfinen und anderen Meeresfrüchten drauf. Beide wollten mir nicht anvertrauen, was mit ihnen los war. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich sie dazu kriegen sollte.
    Ich schwuppte aus dem Bett, rüttelte Oskar wach und ging auf Toilette. An einem Tag, der schon so blöde anfängt, pullert man wahrscheinlich auch noch daneben, also setzte ich mich vorsichtshalber aufs Klo. Dann Händewaschen, Gesichtwaschen, Zähneputzen, und ab in die Küche. Der Tisch war schon gedeckt, und es lag eine bunte Bäckertüte drauf, aus deres köstlich duftete – Mama hatte uns Schrippen mitgebracht. Meine Laune besserte sich schlagartig – mit frischen Schrippen kann man aus dem Schlammloch immerhin ein bisschen rausgucken. Ich holte Butter und Milch aus dem Kühlschrank und Nutella aus dem Regal. Ab und zu esse ich auch ganz gern Knuspermüsli zum Frühstück, aber der Mommsen hat mal gesagt, Schokolade wäre besser für die Nerven.
    Oskar brauchte so lange im Bad, als würde er jeden einzelnen Zahn durch eine Waschanlage schicken. Als er endlich in die Küche kam, waren seine Haare so ordentlich gekämmt, dass der Scheitel aussah wie ein weißer Kreidestrich, und beim Sitzen drückte er den Rücken so gerade durch, als säße er in einem schicken Restaurant. Sein Blick suchte den Tisch ab. Er runzelte die Stirn.
    Â»Gibt’s nur Weißmehlbrötchen mit Schokocreme?«
    Â»Es gibt auch Müsli, wenn du willst.«
    Â»Aus dem Bioladen?«
    Na toll, so was hatte ich ja schon geahnt! Er war also tatsächlich eins von diesen supergesunden Kindern, die keine Süßigkeiten und keine Hamburger oder Fischstäbchen essen dürfen, weil ihre Eltern Angst haben, dass sie davon tot umfallen. Sie dürfen auch kein Fernsehen gucken, jedenfalls keine Krimis und dergleichen, in denen es ordentlich scheppert und kracht, weil aus ihnen sonst später womöglich Verbrecher werden, wegen denen andere tot umfallen. Wenn das stimmt, nimmt es mit mir nur wegen ein bisschen Nutella und Miss Marple mal ein böses Ende.
    Â»Das ist gezuckertes Knuspermüsli«, sagte ich und zeigte auf das Regal. »Ohne Bio drin, aber lecker.«
    Oskar rümpfte die Nase. »Dann kann ich auch gleich Schrippen essen. Im normalen Müsli ist ungesundes Zeug.«
    Â»Was für Zeug?«
    Â»Fungizide, Pestizide … Unsichtbare Gifte eben.«
    PESTIZID : Gift gegen die Pest. Im Mittelalter nannte man die Pest auch den Schwarzen Tod. Der Schwarze Tod sah aus wie ein Skelett mit dem Umhang von Batman. Er rannte mit einer Sense durch die Gegend und mähte damit Millionen Menschen nieder. Wenn so einer sich im Müsli rumtreibt, finde ich es völlig okay, ihn

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