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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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sich wieder verkrümelt hatte, schlug ich Oskar vor, dass wir uns wenigstens schon mal die Ostsee angucken könnten, den Strand und die tosenden Wellen und dergleichen. Es war erst halb zehn und draußen wurde es gerade mal dämmerig. Aber Oskar fand, dafür sei morgen noch Zeit genug, und allein traute ich mich nicht vor die Tür. Wenn ich mich hier verlaufe, komme ich in Dänemark oder Polen raus oder womöglich an der Küste von der Bottnischen Hupe.
    Vor dem Einschlafen hat Oskar immer noch in dem Bilderbuch geblättert und immer wieder rumgebärdet. Er war ganz mit sich beschäftigt. Dass er eigentlich Fitzkes Journal lesen wollte, hatte er anscheinend vergessen. Das Einzige, wozu ich ihn überhaupt noch brachte, war eine lustlose Erklärung von dem merkwürdigen Beruf, den unsere Tante hat. Aber das war’s dann auch.
    LINGUISTIN
: Eine Wissenschaftlerin, die die Geheimnisse der menschlichen Sprache untersucht. Also zum Beispiel, warum manche Autos Mehrtürer genannt werden, manche Heilige aber auch, und warum es Mehrtürertod heißt, obwohl der heilige Quirinus nicht bei einem Autounfall in Rom gestorben ist, sondern dort geköpft wurde.



Wir wachten früh auf und schlichen uns, nachdem wir die Liegen zusammengeklappt, die gefalteten Wolldecken drübergelegt und Porsche versorgt hatten, aus dem Schuppen. Im Haus von Svens Eltern waren die Vorhänge noch zugezogen. Über der Wiese im Obstgarten mit dem vielen Gras, Gras, Gras, das Svens Mutter so nervte, hing ein feiner Dunst. Im Licht der Sonne, die schon ein Stück den Himmel raufgeklettert war, sah dieser Nebel aus wie verschüttete Milch. Sehr hübsch.
    Uns blieb fast der ganze Sonntag, um Julia zu finden. Aber ich hoffte, dass es schneller ging. Je früher ich den Kalbstein zurückfordern konnte, umso besser. Der letzte mögliche Bus für die Rückfahrt ging abends um kurz vor halb sieben, aber das bedeutete, dass wir erst gegen Mitternacht in Berlin ankommen würden. Zur Not, hatte Oskar beschlossen, wollte er Lars anrufen und ihm auftischen, dass wir vom Zoo aus direkt zu mir gehen und wieder bei mir übernachten würden, man sähe sich dann morgen beim Frühstück. Also schon wieder eine Schummelei … Und während ich vorbei an Wiesen mit Kühen drauf und Bächen mit Wasser drin und Häuschen mit Reet auf dem Dach Oskar folgte, der zielstrebig vor mir her in den Ort marschierte, mit wippendem Rucksack auf dem Rücken wie ein fröhliches Kind beim Klassenausflug, fragte mich eine leise Stimme in meinem Kopf, ob es einen Unterschied zwischen Schummeln und Lügen gebe.
    Falls es da einen gibt, Watson, würdest du ihn mir, bitte schön, mal kurz erklären?
    Ich überlegte und fand keinen. Schummeln ist Lügen in niedlich, damit man sich nicht schlecht vorkommt, wenn man es macht.
    Der Tag begann also gleich wieder mit einem schlechten Gewissen. Das aber nur so lange anhielt, bis wir mitten im Ortszentrum von Prerow, an der schmalen Hauptstraße, einen Edeka entdeckten. Mein Herz machte einen Hopser. In der Dieffe ist der Edeka mein Lieblingsladen, aber er ist so klein und eng, dass er mit mehr als zwanzig Leuten drin eigentlich wegen Überfüllung schließen müsste. Dieser hier war riesig, ein richtiger Supermarkt.
    Â»Kein Wunder«, bemerkte Oskar. »Es gibt jede Menge Ferienwohnungen im Ort. Die Leute decken sich für ihren kompletten Urlaub ein. Selbstversorgung.«
    Aber leider nur wochentags. Ich drückte mir umsonst sehnsüchtig die Nase an der verschlossenen Glastür platt. All die leckeren Sachen … Stattdessen mussten wir in einem Café frühstücken. Wir nahmen gleich das erstbeste, schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Hauptstraße. Ich war schon seit dem Aufwachen gespannt auf den Strand und auf die Ostsee. Aber nicht gespannt genug, um zu verhungern. Mein Magen knurrte wie ein ausgehungerter Kampfhund. Anfangs hatte ich Porsche in Verdacht gehabt, aber der war unschuldig. Er hatte sich von dem Duftbäumchen erholt und war jetzt wieder putzmunter. Unterwegs hatte ich ihn großzügig an der Leine gehalten, und er hatte hier an einem Strauch und dort an einer Straßenlaterne sein Beinchen gehoben und sich vor lauter guter Laune fast den kleinen Hintern abgewedelt.
    Das Café war gemütlich, mit Stühlen und Tischen aus weißem Korb auf einer Terrasse und großen

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