Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
meldete sich die leise Stimme von Sherlock Holmes in meinem Kopf zurück. Und du bist auch nicht besser, Watson, denn du lässt es Oskar machen, weil auch etwas für dich dabei herausspringt. Immerhin tut er das alles für dich und deinen Kalbstein! Feigling!
    Oskar, der gerade misstrauisch unter seine Käsescheiben geguckt hatte, als könnte sich da was Unbiologisches drunter versteckt halten, schaute zu mir auf. »Hast du dir schon was ausgedacht, wie wir jetzt vorgehen? Um Julia zu finden?«
    Â»Ich weiß nicht«, sagte ich halblaut und zögerlich. »Ich würde eigentlich erst gern über etwas mit dir –«
    Â»Wir könnten ihr Haus suchen.« Gut möglich, dass er mir absichtlich das Wort abschnitt. Aber vielleicht hörte er bloß nicht richtig hin, weil er gerade damit beschäftigt war, die Weintrauben aus dem Obstschälchen säuberlich nebeneinander auf seinen Teller zu sortieren. »Zu Fuß dürfte das allerdings eine lange Suche werden. Das Haus könnte irgendwo außerhalb stehen. Wenn wir Pech haben, finden wir es gar nicht.«
    Also gut, dann würde ich eben später mit ihm reden, über Manipulation und dergleichen. Darüber, warum er seit Tagen so komisch und manchmal abweisend war. Vielleicht auf der Rückfahrt.
    Klar, auf der Rückfahrt! Feigling!
    Ich nahm einen neuen Anlauf. »Hör mal, Oskar –«
    Â»Oder«, fuhr er fort, immer noch auf die Weintrauben konzentriert, »wir suchen Julia am Strand. Das ist es schließlich, warum die Leute hierherkommen – sie wollen baden und in der Sonne liegen.«
    Ich gab’s auf. Wenn er nicht wollte, wollte er eben nicht.
    Um uns herum wurde es langsam belebter. Leute mit Korbtaschen und Rucksäcken zogen durch die Gegend, zu Fuß oder auf Fahrrädern. Sie folgten den an Bäumen oder Zäunen angebrachten kleinen Hinweisschildern, die den Fußweg zum Strand wiesen.
    Â»Okay, dann lass uns lieber ans Wasser gehen«, sagte ich. »Ich würde sowieso gern endlich die Ostsee sehen.«
    Oskar grunzte nur zustimmend. Er versuchte mit spitzen Fingern umständlich seine Weintrauben zu schälen. Das klappte nicht so gut, weil er ja seine Fingernägel regelmäßig abkaut. Ich schaute ihm fasziniert zu. »Was machst du da?«
    Â»Die sind vielleicht doch gespritzt«, antwortete er, ohne aufzusehen. »Die Haut muss runter.«
    Â»Warum reibst du sie nicht mit einer Serviette ab?«
    Er pellte wortlos weiter. Ich zuckte die Achseln und widmete mich meinem eigenen Frühstück. Porsche guckte mir neidisch zu, aber er wusste, dass er nicht betteln durfte.
    Es lag wohl daran, dass ich so sehr ins Essen vertieft war. Jedenfalls bemerkte ich unsere neuen Nachbarn erst, als sie schon längst saßen, und auch dann nur deshalb, weil Porsche plötzlich den Kopf hob und leise knurrte. Ich guckte hoch. Der Tisch neben uns war immer noch frei, aber einen weiter hatte ein junges Pärchen Platz genommen. Der Mann hatte eine Glatze und trug eine verspiegelte Sonnenbrille. Zwei Muskelarme mit massenweise bunten Tattoos drauf wuchsen wie klobige Brechstangen aus seinem weißen Unterhemd. Der Bühl hat auch ein Tattoo, einen kleinen Skorpion über dem Herzen. Aber dieser Typ war völlig damit zugepflastert, beide Arme komplett runter, als hätte er irgendwann seine Haut so schrecklich gefunden, dass er beschlossen hatte, sie nie wieder sehen zu wollen. Er sah brutal aus, wie ein Neuköllner Schlägertyp.
    Die Frau sah aus wie Julia.
    Mir blieb fast ein Salamischeibchen im Hals stecken. Ich tippte Oskar an, der das Weintraubenschälen unterbrochen hatte, um sich eine Scheibe Brot mit Käse zu belegen. »Die Suche können wir uns sparen«, flüsterte ich. » Die haben uns gefunden!«
    Oskars Augenbrauen rutschten nach oben. Er warf einen vorsichtigen Blick zum Nachbartisch. Dann nickte er mir dreimal sehr langsam und bedeutungsvoll zu. Ich musterte Julia. Sie trug ein blaues T-Shirt und sah so aus, als hätte sie schlecht geschlafen. Ihre schönen Mandelaugen waren ganz glanzlos. Angespannt wirkte sie außerdem. Sie hatte ihr Handy vor sich auf den Tisch gelegt, neben eine Schachtel Zigaretten. Auf das Handy guckte sie immer wieder, als hätte sie Angst, einen Anruf zu verpassen, oder als wartete sie auf eine dringende SMS. Einmal fiel ihr Blick auf uns, aber ohne uns wirklich Beachtung zu schenken. Nur

Weitere Kostenlose Bücher