Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Sven seinen Vater an und fing an, rasend schnell zu gebärden. Das Gesicht seines Vaters leuchtete auf. Er schlug sich eine flache Hand vor den Kopf â das war einfach, ich machte es jeden Tag selber ein paar Mal, es hieà Ich Trottel, da hätte ich auch selber draufkommen können!  â, dann griff er in die Innentasche seiner Jacke.
»Okay, also, um uns bürokratischen Ãrger und euch unnötige Ausgaben zu ersparen«, sagte er grinsend, »werden wir einfach behaupten, dass wir eure Eltern sind.«
»Gute Idee«, stimmte seine Frau zu.
Der Schaffner hatte jetzt schon die Mitte des Wagens erreicht.
»Das ist sehr freundlich«, sagte Oskar. »Aber dann müssten wir auf Ihrem Ticket eingetragen sein. Und nachträglich geht das nicht.«
Wenn er nicht bald damit aufhörte, würden Svens Eltern sich irgendwann fragen, woher und warum er so viel Ahnung von Tickets hatte. Ich hätte es ihnen sagen können: Oskar hatte das alles im Internet nachgelesen, als er unseren Fahrplan rausgesucht hatte. Aber Svens Vater grinste bloà weiter.
»Na ja, zufällig ist bei mir noch ein Kind eingetragen. Eigentlich sollte Felix mitfahren. Aber den hatâs leider erwischt.«
»Ist er tot?«, sagte ich.
Svens Mutter schüttelte den Kopf. Ihre Hände fuhren zu beiden Seiten ab den Schultern den Brustkorb runter. »Erkältung«, erklärte sie. »Und zwar heftig. Wir hatten schon befürchtet, ohne ihn würde es Sven langweilig werden. Aber nun seid ja ihr zwei dabei!«
»Und da zwei im Moment immer noch einer zu viel sind«, murmelte ihr Mann, »verschwindet einer von euch jetzt besser unter dem Tisch.«
Oskar starrte ihn aus groÃen Augen ungläubig an â aus zu groÃen Augen, ein wenig zu ungläubig, fand ich. »Ist das Ihr Ernst?«
Svens Vater stieà einen Finger in ein Stück Tomate, zog ihn gleich wieder raus und hielt ihn hoch. »Mein blutiger Ernst.«
Der Finger war nur wenig rot â Tomaten aus dem Supermarkt sind mehr so was wie gefärbte Wasserpampe, hatte Oskar mal gesagt â, und es sah nicht wirklich aus wie Blut. Aber das war der Moment, in dem ich beschloss, Svens Vater zu mögen. Es war auch der Moment, in dem ich begriff, worauf Oskars Lügengeschichte die ganze Zeit hinausgelaufen war.
Er will, dass fremde Leute sich um uns kümmern, Watson! Wie er das hinkriegt, ist ihm egal. Erwachsene finden besser aus einer schwierigen Lage heraus als Kinder, also gibt er die Verantwortung für uns einfach an sie weiter.
Irgendwie fühlte sich das falsch an. Ich wusste nicht, was ich getan hätte â immerhin waren wir in Not â, aber man hätte ja auch einfach Bitte sagen können.
MANIPULATION
: Wenn man jemanden dazu bringt, etwas zu denken oder zu tun, das er von allein nicht denken oder tun würde. So wie in Finden Sie nicht auch, dass der Sonnenschein drauÃen prima für die Kakaoernte in Südamerika ist, Herr Mommsen?, und zack, kriegt man eine Tafel Schokolade. Eine richtig gute Manipulation ist es natürlich erst dann, wenn es dabei drauÃen regnet.
»Du schiebst jetzt deinen Käfig unter den Tisch«, raunte Svens Vater mir zu, »dann krabbelst du unauffällig hinterher. Und wehe, du tatschst meiner Frau an den Beinen rum!« Er leckte die blasse Tomatenbrühe von seinem Finger ab. »Und du, Oskar, setzt dich auf den freien Platz neben Sven. Na bitte â geht doch!«
Es war eng unter dem Tisch, aber für eine kurze Zeit lieà sich das aushalten. Erfreulicherweise trugen Sven und seine Eltern Turnschuhe und Oskar Sandalen, und alle hatten Socken an, sonst hätte es mir den Appetit versaut. Bis der Schaffner angekommen war und das Ticket kontrollierte, hatten Porsche und ich schon die letzten Krümel meiner Schrippe verputzt.
»So, und das waren dann alle?«, hörte ich den Schaffner sagen.
»Einen haben wir noch unter dem Tisch versteckt«, antwortete Svens Vater, und seine Frau fing an, total wiehernd zu lachen, und lieà ihre Arme auf den Tisch krachen. »Ist ein Ding, was?«
Sie gluckste immer noch in sich hinein, als der Schaffner kommentarlos im nächsten Wagen verschwunden war und ich unterm Tisch wieder rauskroch. KNIPS! Ich blinzelte ihr und ihrem Mann verschwörerisch zu und quetschte mich neben Oskar. Der klappte gerade neugierig das Bilderbuch auf, in dem Sven gelesen
Weitere Kostenlose Bücher