Rico, Oskar und der Diebstahlstein
sie gefälligst die erste Kirche gründen sollten. Nach zwei Tagen waren alle klatschnass vor lauter Geschütte, hatten es aber endlich verstanden. Damit waren sie zwar achtunddreiÃig Tage schneller als der Moses, aber ich frag mich, warum die in der Bibel so viel Zeit für alles brauchen. Sogar fürs Duschen.
Während ich missmutig in meinem Knuspermüsli herumstocherte, hielt ich mit einem Auge Ausschau nach Julia und ihren inzwischen zwei Muskelpaketen. War aber nicht. Wahrscheinlich gab es für Julia und Justin Pizzareste von gestern und für Bobo ein armes kleines Kind, das von fiedelnden Heuschrecken ins Labyrinth der Wildnis gelockt worden war und sich dort verfranzt hatte.
Im Klo hatte ich Wasser für Porsches Schälchen geholt, jetzt fraà er genüsslich sein eingeweichtes Trockenfutter. Ich fragte mich, ob er sich wohl an Bobo erinnerte. Mir lief es immer noch kalt den Rücken runter, wenn ich an diese Kinderfressmaschine dachte. Ich hatte bloà Glück gehabt, dass er praktisch stocktaub war, sonst hätte er mich in der Küche sofort gehört.
Ãberhaupt, so eine schmachvolle Pleite! Ich hatte keine Ahnung, wie wir jetzt noch die Steine zurückerobern sollten. Selbst wenn Julia sie in ihrer Handtasche hier anschleppte â sie in diesem überfüllten Café beklauen zu wollen wäre selbst für einen Tiefbegabten eine Schnapsidee. Heute Mittag am Strand, inmitten der vielen Nacktkultur, war es sicherlich ebenso aussichtslos. Und sobald dieser Hehler mit den Steinen abzog, war die Sache endgültig gelaufen.
Und das war erst der Anfang meiner Probleme, denn ob mit oder ohne Steine, früher oder später stand die Rückfahrt nach Berlin an, was wieder mal Flucht vor den Schaffnern bedeutete, und zu Hause wartete dann Knatsch mit Lars, der vor lauter in die Hose gegangener Verantwortung Mama und dem Bühl nach ihrer Rückkehr brühwarm auftischen würde, was ich für ein Früchtchen war, und dann war ich daran schuld, wenn es mit dem Heiraten nicht klappte, weil der Bühl auf so einen beknackten tiefbegabten schwarzfahrenden einbrechenden lügenden verantwortungslosen Sohn keine Lust haben würde.
Silberhochzeit ade.
Mama würde ihr Armkettchen niemals vollkriegen.
Mann, Mann, Mann!
Ich wollte mich gerade einer Mischung aus schwarzer Trauerwelle, grauem Gefühl und Mitleid mit mir selber ausliefern â für das Mitleid hatte ich noch keine passende Farbe â, als Oskar plötzlich ruckartig den Kopf hob.
»Ich hab nachgedacht«, verkündete er mit so funkelnden Augen, als hätte das Nachdenken ihn wacher anstatt, wie normale Menschen, immer müder gemacht. »Wir müssen noch mal zu Sven. Wir brauchen den Fotoapparat von seiner Mutter.«
»Wofür?«
»An die Steine kommen wir nicht mehr ran â da sind wir uns einig, oder? Aber wenn wir knipsen, wie sie an den Hehler übergeben werden, haben wir Beweisfotos. Du weiÃt schon.«
Er sah mich abwartend an. Er dachte dabei an den Bühl. Und ja, überlegte ich, der Bühl würde uns glauben. Selbst wenn er keine Lust mehr darauf haben sollte, mein Papa zu werden, blieb er immer noch Polizist. Er würde uns glauben. Vor allem mit Fotos als Beweis.
Sofort spürte ich einen kleinen Keim der Hoffnung. Ich war noch nicht bereit, aufzugeben und den Kalbstein abzuschreiben. Aber Oskar und ich steckten fest. Der Gedanke, ein Erwachsener könnte sich um die Angelegenheit kümmern, war sehr verlockend. Erwachsene sind gute Kümmerer. Manche zumindest. Jedenfalls war der Bühl einer.
»Okay«, sagte ich. »Und wie machen wir das? Die merken doch, wenn wir sie fotografieren.«
»Nicht wenn wir am Strand einen sicheren Abstand halten! Kameras haben einen Zoom, der das Bild vergröÃert. Wir müssen also nicht mal wirklich nahe an Julia und ihre Typen ran.« Oskar schüttelte sich. »Ich brauche echt keinen zweiten Bobo!«
ZOOM
: Kameradings, das fast wie ein Palindrom vorwärts und rückwärts funktioniert, es kann nämlich Sachen näher dran oder weiter weg aussehen lassen, und es bleiben trotzdem immer dieselben Sachen. Damit man mit den Richtungen nicht durcheinanderkommt, könnte man für näher dran ZOOZ sagen und für weiter weg MOOM. Aber bitte sehr, warum einfach, wenn es auch schwierig geht?
»Und wenn es ein schlechter Zoom ist oder ein kaputter?«,
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