Rico, Oskar und der Diebstahlstein
wirkten. Ihre eine Hand lag auf Justins tätowierter Brust.
Ihre andere umklammerte eine Handtasche.
Ganz toll! Frauen schleppen ihre Handtaschen zwar überall mit sich hin, das wusste ich von Mama und Irina. Aber ich hatte noch nie gehört, dass sie ihre Handtaschen auch mit ins Bett nehmen. An diese hier würden wir jedenfalls niemals rankommen, denn dazu müssten wir über Justin und Julia drüberklettern. Völlig unmöglich. Das machten meine Nerven nicht mit und die von Oskar erst recht nicht. Offenbar dachte er ähnlich, denn er schüttelte den Kopf, machte mir ein Zeichen, ihm zu folgen, und drehte sich um. So leise ich konnte, schloss ich die Tür. Als wir die Treppe runterkamen, blickten Sven und Porsche uns erwartungsvoll entgegen. Oskar schüttelte nur still und enttäuscht den Kopf.
Rückzug.
So ein Mist! Während wir im Licht der Taschenlampe unsere Schuhe wieder anzogen, dachte ich an das Schlafzimmerfenster. Wenn es wenigstens nicht verschlossen wäre! Dann könnten wir im Garten eine Leiter suchen, sie unter das Fenster stellen und â
GRRRRRRRRRR!!!!
Oskar und ich richteten uns gleichzeitig auf. Weil wir beide gleichzeitig gedacht hatten, drauÃen würde es donnern. Weil wir beide gleichzeitig merkten, dass dies kein Donnern war. Es war ein tiefes, schreckliches, drohendes Grollen, das sich jetzt wiederholte. Sven konnte es nicht hören, aber er richtete sich ebenfalls auf, als spürte er, wie dieses Grollen die Luft zum Schwingen brachte.
GRRRRRRRRRR!!!!
Das kam nicht von drauÃen. Es grollte hier drinnen, direkt vor uns, nur wenige Schritte entfernt. Etwas Massiges schob sich uns aus der Küche entgegen, etwas Dunkles. Ich schätze, da hatte es unter der Eckbank gelegen. Oskar richtete die Taschenlampe darauf.
»Oh, ScheiÃe!«, wisperte er.
Es war, als würde sich eine Faust um meinen Magen schlieÃen. Womöglich auch noch um andere lebenswichtige Organe. In mir gingen alle Alarmsirenen an. Plus die Bingotrommel. Mit einer zitternden Hand fischte ich nach Oskars Bommeln, für den Wehmeyer-Trick. Leider ohne eine zu erwischen. Jetzt wusste ich, warum die Katzenklappe so groà war. Und jetzt wusste ich auch, warum Porsche eben vor der Küche und heute Morgen im Café geknurrt hatte, als Julia und Justin aufgetaucht waren. Vor der Küche hatte ich gedacht, er hätte die Katze gewittert. Heute Morgen hatte ich angenommen, er könnte Justin nicht leiden.
Aber Justin hatte nach Bobo gerochen.
Und jetzt hatte Bobo uns gerochen.
Bobo, der Kampfhund. Ich erkannte die Rasse nicht. Aber so etwas Kompaktes wie das, das uns jetzt den Weg versperrte, war kein lustiger kleiner Terrier. Es war ein Bündel aus stählernen Muskeln und scharfen Zähnen, aus gestutzten Ohren und blutunterlaufenen Augen. Es war der Tod auf vier Beinen.
Und ich hatte ihn kommen sehen!, schoss es mir durch den Kopf. Hatte ich nicht zwei Mal im Verlauf des Tages das Gefühl gehabt, mein Magen würde knurren wie ein Kampfhund? Hatte ich nicht, als Oskar mir erklärte, dass Heuschrecken nicht stechen, sondern nur fiedeln, gedacht: Klar, und Kampfhunde wollen bloà spielen ?
Bobo wollte nicht spielen. Oder wenn, dann nur mit Teilen von uns. Wir glotzten ihn an, und er glotzte uns an, als wartete er bloà auf den Moment, in dem einer von uns sich als Erster bewegte, und ich weià nicht, für wie lange die Zeit stillzustehen schien. Es hätte jedenfalls prima gereicht, um sich vor Angst in die Hosen zu machen, was schrecklich gewesen wäre, weil ich ja keine frische Unterhose mehr zum Wechseln hatte. Die Zeit ging erst weiter, als neben mir Porsche plötzlich zu fiepen begann wie ein winziger Welpe. Bobo legte den Kopf schräg. Und noch während ich entsetzt dachte, dass Porsche jetzt als Erster von uns sterben musste, zischte er auch schon los, dem Ungeheuer entgegen!
Fast hätte ich aufgeschrien.
Vor Bobo blieb Porsche stehen, den Kopf aufmerksam nach oben gerichtet, ein Pfötchen angehoben, Auge in Auge mit diesem Monster, das wie ein unheiliger schwarz-weiÃer Berg über ihm aufragte. Mir fiel ein, dass Hunde angeblich oft so aussehen wie ihre Herrchen. In diesem Fall stimmte es. Das Einzige, was Bobo fehlte, waren ein paar Tätowierungen.
Porsche wedelte unsicher mit dem Kaffeekringelschwänzchen. Machte eine halbe Drehung und beschnupperte Bobos dicken Hintern. Bobo trippelte ebenfalls ein paar
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