Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Dann betrat ich ohne ihn die Küche, schloss die Tür hinter mir und tastete nach einem Lichtschalter.
In einem Krimi oder Gruselfilm würde das jetzt alles haarklein gezeigt, mit fieser Musik dabei. Bei so was flippe ich immer aus, weil ich ständig Angst davor habe, dass da gleich einer mit einem Messer oder so aus einer Ecke gehopst kommt. Am schlimmsten ist es, wenn man das Opfer sieht, wie es sich gerade ein geheimnisvolles Objekt anguckt, das es nach langer, entbehrungsreicher Suche endlich gefunden hat, und hinter ihm erhebt sich plötzlich der drohende Schatten seines meuchelnden Mörders. Da kann man als Zuschauer schreien, wie man will, dass das Opfer gefälligst aufpassen soll â irgendwann heiÃt es ZACK! MordsmäÃiges Blutgespritze, Geröchel, verdrehte Augen. Abgemurkst. Das Opfer sinkt zu Boden, mit mehr Löchern in sich drin, als in einen Schweizer Käse passen. Das Letzte, was man sieht, ist das teuflische Lächeln im Gesicht des Killers, bevor er das geheimnisvolle Objekt schnappt, um sich dann verachtungsvoll abzuwenden und wieder eins zu werden mit der Finsternis.
Gru-se-lig!
Also mache ich es kurz: Da war nichts. Nichts im von Oskar durchsuchten Wohnzimmer, nichts im von Sven durchsuchten kleinen Arbeitszimmer, nichts in meiner Küche. Ich öffnete Schubladen und Schranktüren. Ich suchte nach herumhängenden Klamotten. Ich stieg sogar auf eine groÃe Eckbank beim Tisch, über der ein Wandschränkchen mit grünen Glastüren hing. Nichts. Das einzig Sinnvolle, was ich fand, waren Pizzaränder auf zwei Tellern, die auf der Spüle standen. Ich nahm ein Krüstchen von einem Teller und hoffte, dass niemand den Verlust bemerken würde. Dann noch eins vom anderen Teller, damit es ausgeglichener aussah.
Oskars und Svens Gesichter, als wir uns alle wieder im Flur versammelten, sprachen Bände: Absolute Fehlanzeige! Oskar leuchtete mit der Taschenlampe auf die vierte Tür und schüttelte den Kopf. Im Badezimmer war demnach auch nichts. Blieb also nur â¦
Wie auf Kommando schauten wir alle drei gleichzeitig zur Treppe ins Obergeschoss. Mein Herz begann zu wummern, und ich schickte ein StoÃgebet zum Himmel. So fühlte sich das also an, wenn ein Albtraum Wirklichkeit wurde. Bis jetzt hatten wir Glück gehabt. Aber nun mussten wir in die Höhle des Löwen.
Oskar zeigte auf Sven und auf Porsche, dann auf den Boden: Die beiden sollten hier warten. Es war ganz normale Zeichensprache, kein Gebärden. Wahrscheinlich lieÃen ihn inzwischen seine Nerven im Stich. Sven war einverstanden. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, genau dorthin mitzugehen, wo die gröÃte Gefahr lauerte. Falls Julia oder Justin im Dunkeln aufwachten oder sich bewegten, würde er es nicht hören können. Er ging neben Porsche in die Hocke und kraulte ihn. Porsche guckte mich unglücklich an. Er zitterte ein bisschen, bestimmt, weil unsere Aufregung sich auf ihn übertrug. Nach einer kleinen Runde Streicheln und Knutschen wurde es besser. Trotzdem â hoffentlich baute er keinen Mist und galoppierte hinter Oskar und mir die Treppe rauf!
Wieder hatten wir Glück. Ich hätte gewettet, dass die Stufen fürchterlich knarzen und quietschen würden, wie in einem Film, aber das taten sie kaum. DrauÃen machte der Sturm jetzt richtig ernst. Die wenigen Geräusche, die entstanden, als Oskar und ich hintereinander behutsam nach oben schlichen, gingen im Klopfen des Regens auf das Dach völlig unter.
Oben gab es nur eine einzige Tür. Oskar winkte mich zu sich und richtete die Taschenlampe auf die Klinke. Ich drückte sie vorsichtig nach unten und die Tür ebenso vorsichtig und langsam auf. Wir hielten einen Moment inne. Dann schob Oskar sich vor mich und lieà den gedämpften Strahl der Taschenlampe Zentimeter um Zentimeter tiefer ins Zimmer wandern.
Ich guckte über seine Schulter und hätte am liebsten laut geflucht. Der Raum war winzig. Durch die Dachschräge zu beiden Seiten wirkte er wie ein Dreieck. Das Bett stand längs unter einem Fenster, mit dem Kopfende und dem FuÃende jeweils an einer Wand. Da passte kein Blatt mehr dazwischen. Justin lag auf dem Rücken. Er schnarchte leise, und in sein Schnarchen mischte sich das Trippeln von Regen auf dem Dach. Julia lag hinter ihm unterm Fenster, auf dem Bauch. Ihr Gesicht sah man nicht, nur die blonden Haare, die im Licht der Sockenlampe rötlich
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