Rico, Oskar und der Diebstahlstein
in die Hose.
Maja saà neben uns mit untergeschlagenen Beinen auf einer Decke. Sie rubbelte sich mit einem Handtuch die langen Haare trocken, so gut es ging. Ihr nachdenklicher Blick war die ganze Zeit auf Oskar gerichtet gewesen. Jetzt legte sie das Handtuch beiseite.
»Du«, sagte sie.
Oskar zuckte erschreckt zusammen.
»Du kannst mich nicht leiden. Und ich frage mich, wieso.« Majas Stimme war ganz ruhig, nicht so schnippisch wie sonst, wenn sie und Oskar aneinandergerieten. »Es geht mir nicht um dieses Biene-Maja-Liedchen, damit kann ich leben. Ist sowieso nicht unbedingt der neueste Gag, wenn man diesen Namen hat. Aber ich würde es gern wissen. Was hab ich dir getan?«
Berts und ich guckten uns an, als wäre eben eine Sturmflut vorausgesagt worden. Sogar Sven drückte Porsche wie ein Sicherheitspolster an sich, als hätte er Majas Worte gehört. Aber Oskar schluckte nur. Er versuchte nicht mal, Maja anzustarren oder einen schlauen Spruch loszulassen. Irgendwas hatte sich seit gestern bei ihm verändert. In ihm. Er kramte in seinem kleinen Rucksack. Seine Hände zitterten ein wenig und hielten kurz inne, bevor sie entschlossen weitermachten und mit seinem Geldbeutel wieder zum Vorschein kamen. Oskar öffnete den Klettverschluss, und als ich das RATSCH! hörte, ahnte ich schon, dass er in diesem Moment mehr als nur sein Portemonnaie öffnete. Er zog wortlos ein Foto aus einem der Fächer und reichte es Maja. Ich sah nur die Rückseite. Die Ränder waren abgegriffen und speckig.
Maja studierte das Foto. Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Sie schob sie mit einer Hand sacht beiseite. Dann hob sie den Blick.
»Deine Mutter?«
Oskar nickte.
Mir wurde ganz eng im Hals.
»Ich sehe ihr wirklich sehr ähnlich.« Maja reichte Oskar das Foto zurück. »Es tut mir leid, Oskar.«
Sie hätte jetzt noch fragen können: Was ist denn mit deiner Mutter, Oskar? Ist sie tot, geschieden, weggelaufen, von einem UFO entführt worden? Stattdessen schaute sie Oskar einfach nur an, und er schaute zurück, mit bebender Unterlippe.
»Mir tutâs auch leid«, sagte er leise. »Dass ich immer so gemein zu dir war.«
Maja lächelte und streichelte ihm über die Wange. Sie konnte nicht wissen, was für eine groÃe Ehre es war, dass Oskar nicht mal zurückzuckte. Normalerweise wäre er nach so einer Befummelung brüllend den Strand runtergestürmt und hätte sich zum freiwilligen Ertrinken in die Ostsee geworfen.
Berts lächelte auch, aber nur kurz. Er setzte sich auf, packte seine Bücher zusammen und griff nach Unterhose, Shorts und T-Shirt. »Wie siehtâs aus â wir wollten jetzt was essen gehen. Möchtet ihr mit?«
»Nee«, sagte Oskar schnell, froh, dass das Thema gewechselt war, bevor er womöglich öffentlich heulte. »Wir sind ja gerade erst angekommen.«
Maja begann ebenfalls, sich anzuziehen. »Dann sehen wir uns vielleicht später wieder hier, hm? Wir wollen nicht so spät zurück nach Berlin, aber eine letzte Stunde Wasser und Sonne vor der Heimfahrt nehmen wir nachher noch mit.«
»Wir versuchen es«, sagte ich und war selber verwundert, wie vorsichtig die Worte klangen. Bis die beiden wiederkamen, war alles vorüber. Dann hatten wir die Fotos von der Steinübergabe und konnten uns entspannen. Es wäre toll, dann mit Freunden an einem Strand zu liegen wie ganz normale andere Menschen.
Aber irgendwas rumorte in mir herum, wie um mich zu warnen, dass etwas schiefgehen würde. Es war, als suchte eine Prophezeiung sich einen Weg aus mir heraus nach drauÃen, aber plötzlich stand sie vor drei Türen und wusste nicht, welcher Ausgang der richtige war. Ich schüttelte das Gefühl ab. Bestimmt war ich einfach nur nervös.
Sven guckte Maja verknallt nach, als sie und Berts durch den Sand die Düne raufschlurften. Seine Augen leuchteten dermaÃen, dass ich befürchtete, das Badewasser für die Marienkäfer würde überlaufen. Sein Zeigefinger fuhr ein paar Mal unterm Kinn an seinem Hals runter, als würde er sich kratzen. Das bedeutete sexy, erklärte Oskar mir später.
»Dann bis dann«, rief Maja über die Schulter. »Habtâs schön!«
Sie und Berts winkten.
Wir winkten zurück.
Auf Oskars Uhr war es Viertel vor eins.
Das FKK-Gelände war zwar vom übrigen Gelände nicht scharf abgegrenzt, aber je mehr
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