Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Nase, der aussah wie gefrorener Honig. »Ich meinte den hier.«
»Das ist Bernstein?«
Er biss mit seinen groÃen Zähnen prüfend in den Stein und nickte. »Er ist weich. Müsste einer sein. Woher hast du den?«
»Gesammelt. Am Dschungelstrand beim Leuchtturm.«
»Echt schön!« Er zeigte den Bernstein Sven, der anerkennend nickte und ein C und ein L machte.
Fein, dann hatten wir jetzt ein Mitbringsel für Frau Dahling. Bloà waren wir deshalb eigentlich nicht hergekommen.
Oskar drückte Sven mein Matheheft und einen Faserschreiber in die Hand. Sven schoss zwischen den herumliegenden Urlaubern davon, als würde er Slalom laufen. Weit oben auf der Düne, sechs oder sieben Meter von Julia entfernt, setzte er sich in den piksgrasigen Sand. Es war genau der richtige Abstand zu Julia und den Typen. Sie würden nicht vermuten, dass er lauschte, und dennoch konnte er einigermaÃen gut erkennen, was jeder von ihnen sagte. Hoffte ich jedenfalls.
»Es geht los«, sagte Oskar leise.
Ich hatte ihm den Fotoapparat zurückgegeben. Wir starrten beide gebannt auf das Display und sahen zu, wie Julia in ihre Handtasche griff. Der Stein, den sie zutage förderte, war nicht mehr als ein kleiner dunkler Klumpen.
»Weiter reicht der Zoom nicht«, sagte Oskar. »Schade.«
Julia reichte den Stein wortlos dem Hehler. Er drehte den Stein zwischen den Fingern hin und her. Hielt ihn prüfend gegen das Sonnenlicht. Sagte irgendwas zu Julia. Sven begann zu kritzeln. Julia antwortete. Der Hehler runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf.
Und pfefferte den Stein in die Dünen.
»Keine Sorge, den finden wir wieder«, murmelte Oskar, der mitkriegte, wie ich schockiert zusammenzuckte. »Den und die nächsten. WeiÃt du noch, wie Julia im Café beim Telefonieren sagte, sie sei sich wegen des Rubins nicht sicher? Ob sie den richtigen mitgenommen hatte? Ich wette, sie hat noch mehr Steine eingesteckt.«
Julia hatte dem davonfliegenden falschen Rubin mit einem fast gelangweilten Blick nachgeschaut. Und Oskar behielt Recht: Jetzt holte sie einen zweiten Stein aus ihrer Handtasche.
KNIPS, KNIPS!
Und einen dritten, und das warâs.
KNIPS!
Drei Steine also.
Vor drei Türen hat Ihre Prophezeiung gestanden, Watson, die Sie so leichtfertig abgeschüttelt haben! Und wie weit stehen Sie von den Verbrechern entfernt? So weit Sie gerade mal einen Stein werfen können! War das nicht eben noch Ihr Gedanke?
Doch, war er gewesen. Aber wenn die Gabe der Prophezeiung bedeutete, dass ich in Zukunft statt der Bingotrommel ständig einen schwarz-weiÃen Sherlock Holmes im Kopf hatte oder andere Stimmen, würde ich lieber darauf verzichten. Dieser Sherlock war ein blöder Besserwisser. So einer durfte Miss Marple gerade mal ein Törtchen zum Tee servieren. Fast wünschte ich mir, Julia hätte noch einen vierten und fünften Stein dabei, nur damit er mal Unrecht hatte. Sie hielt dem Hehler inzwischen die beiden anderen Steine entgegen. Sie sagte etwas. Der Hehler nahm schweigend die Steine und begutachtete sie.
KNIPS!
Er rubbelte mit einer Hand über die Steine und hielt sie beide ins Sonnenlicht, genau wie zuvor den ersten. Sein Gesicht verzog sich. Er schüttelte den Kopf. Seine Lippen wurden dünn, als wäre er langsam verärgert. Er sagte etwas und sah dabei ziemlich sauer aus. Julia entgegnete etwas, genauso sauer.
KNIPS!
Justin guckte zwischen den beiden hin und her, den Kopf leicht zwischen die Schultern gezogen, und irgendwie erinnerte er mich an Bobo. Er blaffte den Hehler an. Das sah nach Krach aus.
Sven kritzelte schnell und schneller.
Und dann ⦠folgten die beiden Steine in hohem Bogen dem ersten!
KNIPS!
Justin sprang auf. Der Hehler auch. Justin wollte ihn beim Kragen packen, aber wegen der Nacktheit war da kein Kragen. Die beiden Männer blitzten sich böse an. Rundum wurden erste Leute unruhig.
Sven kritzelte jetzt nicht mehr, sondern guckte bloà zu, nur wenige Meter entfernt vom Auge des Sturms, bis es Julia gelungen war, die beiden Männer zu beruhigen. Sven nahm das Kritzeln wieder auf.
Es dauerte nur noch eine Minute, bis Justin und der Hehler sich widerwillig die Hand gaben und das Dreiergrüppchen ging. Alle zusammen. Zwischen den Nackten durch, Richtung Polen.
Ich atmete dermaÃen lange aus, dass ich dachte, ich würde dabei schrumpeln, so viel Luft strömte aus mir raus. Das Warten, bis
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