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Rico, Oskar und die Tieferschatten

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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dabei sollte er eigentlich in Tempelhof Zähne basteln. Nur dass der Marrak um diese Zeit anrückt, ist nicht außergewöhnlich, der kann sich mit seiner eigenen Firma die Zeit schließlich frei einteilen.
    Sehr merkwürdig.
    Mann, was freu ich mich auf morgen! Oskar kommt und wir gehen am Landwehrkanal spazieren, auch wenn Oskar das noch gar nicht weiß. Das wird toll. Wenn gutes Wetter ist, essen wir unterwegs vielleicht ein Eis. Nee, wir essen auf jeden Fall ein Eis. Und dabei erzähle ich Oskar, was meine größte Angst ist und woher sie kommt. Dann erzähle ich ihm die Geschichte, wie mein Papa gestorben ist.

DIENSTAG
    RAUF UND RUNTER

    Manchmal wacht man morgens auf, öffnet die Augen und es fällt einem sofort etwas Schönes ein. Es ist, als ginge im Bauch eine kleine Sonne auf, die einen innen drin ganz warm und hell macht.
    Oskar und ich waren für zehn Uhr heute Vormittag verabredet. Ich lag zusammengekuschelt im Bett und stellte mir vor, wie wir nachher zusammen am Landwehrkanal spazieren gingen. Allein gehe ich immer nur geradeaus über die Admiralsbrücke zum Förderzentrum, um dort abzubiegen, fehlt mir einfach die Traute. Sobald ich einen Anhaltspunkt aus den Augen verloren habe, ist bei mir nämlich Feierabend plus Wochenende. Ich würde mich sogar in einem Supermarkt mit einem einzigen Gang verlaufen. Absolut keine Chance.
    Aber heute würde ich Oskar bei mir haben. Wir konnten abbiegen, wo wir wollten. Wir würden sehr, sehr weit den Kanal entlanggehen, irgendwohin, wo ich noch nie zuvor gewesen war. Mit einem hochbegabten Begleiterfreund an seiner Seite ist Sehrsehrweit ein Klacks. Selbst wenn man sich doch mal verläuft, kann der Begleiterfreund nach dem Weg fragen und er behält sich, was ihm die Leute erklären, von wegen links und rechts und dergleichen. Ein Klacks!
    Durch das Fenster sah ich die Wand vom Hinterhaus hell schimmern. Keine Wolkenschatten. Es würde ein schöner Tag mit Oskar werden. Und heute Abend ging ich mit Mama zum Bingospielen. Vielleicht konnte ich sie sogar überreden, den Bühl doch noch mitzunehmen. Oder ich konnte den Bühl fragen, ob er nicht ganz zufällig im Gemeindezentrum aufkreuzen wollte. Er könnte ja behaupten, dass er seine hilflose alte Mutter sucht, die letztes Jahr beim Einkaufen in so einem Supermarkt mit nur einem Gang verlorengegangen ist, irgendwo ganz hinten, zwischen der Fischtheke und den Süßigkeiten, genau weiß man es bis heute nicht, es ist ein Rätsel, die arme Frau!
    Ich guckte auf meinen Mickymaus-Wecker. Fast neun Uhr, ich hatte noch eine Stunde Zeit. Glaubte ich jedenfalls. Es konnte auch Viertel vor zwölf sein, weil ich den kurzen und den langen Arm von Micky manchmal durcheinanderbringe, aber erstens wache ich nie so spät auf, nicht mal in den Ferien, und zweitens wäre ich von Oskar, falls ich verschlafen hätte, bestimmt längst wach geklingelt worden.
    Ich sprang aus dem Bett, ging pinkeln und lief dann auf Zehenspitzen an Mamas Schlafzimmer vorbei in die Küche, um mir Knuspermüsli zu machen und Saft zu trinken. Zehn Minuten später hatte ich gefrühstückt, mir die Zähne geputzt und war fix und fertig angezogen.
    Viel zu früh.
    Wenn ich auf etwas warte oder sonst nicht weiß, was ich gerade machen soll, setze ich mich im Wohnzimmer in den Nachdenksessel. Ich weiß nicht mehr, wann Mama und ich ihn Nachdenksessel getauft haben, aber wir lieben ihn sehr. Er ist dick und gemütlich. Manchmal brauche ich ihn bloß, um die Bingomaschine zu beruhigen. Aber man kann darin auch prima sitzen und Comics lesen oder man guckt zum Fenster raus in die Blätter der Bäume, die vom Wind bewegt werden. Manchmal setzen sich Spatzen in ihre Aste und tschilpen sich aufgeregt gegenseitig an. Man kann sich auch Geschichten mit Helden wie dem O und seinem Holzpferd ausdenken oder man überlegt sich wichtige Fragen, zum Beispiel, ob Miss Jane Marple jemals Mister Stringer heiraten wird. Der ist ihr bester Freund, aber schrecklich paddelig und eigentlich zu dumm für Miss Marple, aber sie hat ja sonst niemanden zum Verlieben, außer diesem dicken Besitzer vom Pferdestall, der ihr aber bei jeder Gelegenheit an den Beinen rumzutatschen versucht.
    Stunden später, als Mama aufstand, saß ich immer noch im Nachdenksessel. Inzwischen war ich schon hundert Mal aufgesprungen, ans Fenster gelaufen und hatte runter auf die Dieffe geguckt. Irgendwann hatte ich den Marrak gesehen, wie er aus dem Haus trat und losmarschierte, wie immer auf dem Weg zu seinem

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