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Rico, Oskar und die Tieferschatten

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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stöhnte er, »aber ich würde trotzdem nicht in ein Becken voller Piranhas springen.«
    »Was sind Piranhas?«
    »Räuberische Fische mit sehr scharfen Zähnen aus der Familie der Salmler. Sie leben in den tropischen Süßgewässern Südamerikas. Ein verletztes Tier oder einen Menschen zerfetzen sie in ein paar Sekunden in lauter kleine Stücke.«
    Na gut. Sollte ich mal einem von dieser Familie Salmler begegnen, wüsste ich jetzt Bescheid. Trotzdem ...
    »Hast du eigentlich immer vor irgendwas Schiss?«, sagte ich.
    »Das ist kein Schiss. Es ist Vorsicht.«
    Ich hätte Cola mitnehmen sollen oder Limonade, vielleicht hätte Oskar sich dann wohler hier oben gefühlt. Runter in den Zweiten wollte ich dafür nicht rennen, und der Kühlschrank der RBs, in den ich nach ihrer Abreise zufällig mal reingeguckt hatte, war leer. Komplett ausgeräumt. Geizhälse!
    »Reine Vorsicht«, wiederholte Oskar murmelnd. »Selbsterhaltungstrieb. «
    Ich sah ihn hilflos an. Ich hatte ihn nicht ohne Grund hier raufgebracht. Langsam schwante mir, dass meine tolle Idee ihn nicht begeistern würde, aber da wir nun schon mal hier oben waren, konnte ich es wenigstens versuchen.
    Ich zeigte auf die klappbare Trennwand aus dicken, eng aneinandergeflochtenen Bambusstangen, die den benachbarten Dachgarten von dem der RBs abgrenzt.
    »Magst du mal durch den Pavian gucken?«
    »Es heißt Paravent.«
    »Weiß ich. Wollte dich nur kurz testen.«
    Gott sei Dank guckte er mich nicht an, sonst hätte er sofort gesehen, dass mir das Blut in den Kopf schoss. Am liebsten hätte ich mir seinen Helm übergestülpt.
    »Was ist dahinter?«, sagte Oskar. »Der Dachgarten vom Marrak.«

    »Wer ist das?«
    »Einer von den drei Männern vorhin im Treppenhaus. Der im roten Anzug mit dem goldenen Tresor drauf. Er hat eine eigene Firma.« Ich holte unauffällig tief Luft. »Sicherheitsmanagement mit Schwerpunkt Kontroll- und Schließdienst.«
    Ich sagte den Satz so lässig wie möglich, als ob ich auf einer Wiese im Vorbeigehen ein Gänseblümchen pflückte. Aber in Wirklichkeit wäre ich dabei fast ohnmächtig geworden, und jetzt wollte ich vor Stolz fast platzen, weil ich keinen einzigen Fehler gemacht hatte. Der Marrak hatte mir mal eine Visitenkarte von seiner Firma geschenkt. Ich hatte sie eine Woche lang jeden Tag mindestens zehn Mal studiert und den ganzen Schlüsselkram auswendig gelernt, um irgendwann mal irgendwen damit zu beeindrucken. Dass es ausgerechnet der schlaue Oskar sein würde, hätte ich mir nie träumen lassen.
    Neben mir sagte Oskar völlig unbeeindruckt: »Verstehe.«
    Ich finde, er kann einem echt die gute Laune vermiesen. Andererseits hätte ich mir ja denken können, dass für ein hochbegabtes Kind komplizierte lange Ausdrücke ein Klacks sind. Wie machen die das nur, dass die so viel wissen und sich neue Sachen sofort behalten? Und was wissen sie nicht?
    »Wie weit ist die Erde vom Mond weg?«, fragte ich.
    »Knapp vierhunderttausend Kilometer.«
    Aha, na bitte! Die Antwort kam zwar wie aus der Pistole geschossen, aber knapp vorbei ist auch daneben, und ruck, zuck ist man nicht auf dem Mond gelandet, sondern auf dem Mars, dem Jupiter oder Uranus.

    »Die genaue mittlere Entfernung«, sagte Oskar langsam neben mir, »beträgt 384401 Kilometer.«
    Okay, gewonnen! Ganz aufgeben wollte ich trotzdem noch nicht. »Das musstest du aber erst überlegen, oder?«
    »Ich dachte, du wolltest wissen, wie weit der Mond heute von der Erde entfernt ist. Aber dazu müssten wir die tägliche Parallaxe ermitteln, und das geht nur, wenn —«
    »Ist schon gut.« Jetzt gab ichs auf. »Also, willst du dir nun den anderen Dachgarten angucken oder nicht?«
    »Warum?«
    »Weil ich dir was zeigen will. Es ist kein bisschen gefährlich!«, fugte ich schnell hinzu, bevor er wieder seine Sirene anwerfen konnte. »Wir müssen nur ein wenig aufpassen, schließlich ist der Marrak eben erst nach Hause gekommen. Womöglich kreuzt er bei dem guten Wetter gleich auf, um sich in die Sonne zu legen.«
    Endlich, wenn auch nur zögernd, löste Oskar sich von der Terrassentür. Wenn man die Bambusstangen des Paravents ein bisschen auseinanderdrückt, kann man prima auf die andere Seite spähen. Der Dachgarten vom Marrak ist viel grö- ßer als der von den RBs. Es stehen mehr Pflanzen drauf, schickere Möbel, und der Boden besteht, anders als der rotbraune Kachelboden der RBs, aus dicken, schön gestreiften Holzbohlen.
    »Schick«, flüsterte Oskar. Er hatte sich dicht neben mich

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