Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Gerechtigkeit sorgen. Der Bönle hatte da in seinem Reli-Unterricht zwar eine andere Meinung vertreten, man müsse, wenn man eine gescheuert bekommt, auch noch die andere Seite hinhalten. Aber das ist ja wohl Schwachsinn, das würde selbst der Bönle nicht tun. Ist so etwas gerecht?
Der Tod von Alexandra musste gerächt werden, das hatte ihm sein Vater am Tag der Beerdigung in Sevastopol gesagt und ihm die Adresse in Stuttgart gegeben.
Schon sein erster Verdacht war richtig. Bei Herrn Bönle, dem Lehrer, würde er den Tobi finden, wenn er nicht auf dem Hof ist, das war ja klar. Der hatte ihn schon während der Schulzeit immer auf seinem Motorrad mitgenommen. Tobi, seinen Liebling.
Und jetzt beobachtete er von der dichten Haselnusshecke aus, die das Grundstück abgrenzte, wie Tobi sich in Bönles Haus bewegte. Wäre da die Tusse nicht gewesen, hätte er einfach geklingelt und Tobi die Kugel in die Stirn gejagt. Peng und aus! Aber da war ja ständig diese Frau, vermutlich Bönles Frau.
Er umschloss mit fester Hand das kalte Metall der Waffe. Er hatte ja Zeit, alle Zeit der Welt.
46 Blumensprache
Der erste Brief des Petrus
1:24 Denn alles Sterbliche ist wie Gras, und all seine Schönheit ist wie die Blume im Gras. Das Gras verdorrt, und die Blume verwelkt.
Durchgefroren kam ich zuhause an. Im Ried lag der Nebel wie ein fein gewobenes Leichentuch. Sommers wie winters fuhr ich mit meiner leichten Lederhose mit attraktivem Jeansschnitt. Entweder war diese für solche Witterungen zu dünn oder es wurde höchste Zeit, dass Herrmann bald mit meinem standesgemäßen Winterfahrzeug fertig würde.
Der VW-Beetle der Kommissarin stand schon in meiner Hofeinfahrt, in der Dämmerung leuchtete er schimmelgrün. Ich stellte, da mir die Zufahrt zur Garage blockiert war, mein Eisen direkt hinter das kugelige Frauengefährt.
»Hi, Dani, das ist auch das erste Mal, dass du mir Blumen mitbringst. Aber warum ausgerechnet Gerbera? Und dann noch in Pink!«
In trauter Zweisamkeit saßen die beiden Wohlgeformten an meinem Küchentisch.
»Die sind nicht für dich, die sind für die Frau Kriminalbeamtin.«
Sie sah den Strauß. Es war das erste Mal, dass ihr das Gesicht entgleiste.
»Für mich? Was soll der Sch … ääh, woher wissen Sie …? Lassen Sie einfach den Blödsinn und setzen Sie sich her.«
»Wenn ich darf, in meinem Heim? Und ich dachte einfach, vielleicht mögen Sie Pink Gerbera, hätte ja sein können. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie ausgerechnet auf Pink Gerbera so aggressiv reagieren.«
Sie funkelte mich an und zischte wie ein frisch eingefahrener Plattfuß an einem Motorroller:
»Bönle, Sie sind mir ein Rätsel. Noch! Aber ich komme dahinter, das verspreche ich Ihnen.«
Cäci, die mir sonst in manchen Dingen der Empathie voraus war, begriff überhaupt nichts und besänftigte:
»Jetzt reichts mit dem Blumengeschiss!«
Als Praktikerin schritt sie forsch zur Tat und steckte die geschmähten Blumen in ein Väschen mit frischem Leitungswasser. Die Schnittpflanzen lachten in ihrem herrlichsten Pink.
»Herr Bönle, die Dinge werden nicht einfacher in diesem Fall. Uns fehlen zwei wichtige Personen, die wir gern verhören würden. Ich gehe davon aus, dass Sie mir immer noch nicht sagen wollen, wo sich Tobias Fränkel befindet. Ist das richtig so?«
»Ja, er hat mich darum gebeten, ihn nicht zu verraten. Und er hat mir gesagt, dass er mit dem Mord an Alexandra nichts zu tun hat, das würde er auf die Bibel schwören. So soll ich es Ihnen ausrichten.«
»Ihre Bibel interessiert mich nicht. Kann es sein, dass Sie beide versteckt halten?«
»Beide?«
»Sergej Hold und Tobias Fränkel.«
»Nein.«
»Faktum ist, dass wir Tobias vernehmen müssen, um weiterzukommen. Faktum ist auch, dass Sie durch Ihr Schweigen unsere Arbeit behindern. Herr Bönle. Ich werde ganz subtil ausloten, wie ich Sie drankriegen kann. Ich bin mir sicher, wenn ich Ihr Haus oder das Ihrer Schwiegermutter in spe durchsuche, im Keller werde ich Tobias finden. Bei der Kälte treibt er sich nachts nicht im Ried herum.«
»Sie können mich gern alles fragen, ich gebe Ihnen bereitwillig Auskunft. Sie dürfen mich aber nicht fragen, wo Tobi steckt.«
Ich war tatsächlich etwas verzweifelt und flehte:
»Das müssen Sie doch verstehen, mein Versprechen und dazu noch die Schweigepflicht.«
»Ich verstehe es nicht, es geht hier um Mord.«
Die Frustrierte erhob sich, nickte distanziert und verließ bar jeglichen Grußes
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