Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Knaus hat ihn erpresst.«
»Und die Zeichen an Fränkels Scheunentor? Die komische Unbekannte, die im Ried herumgeistert? Die Inschrift RIPP auf Alexandras Kreuz? Die fehlende Rippe? Da steckt mehr dahinter, da steckt mehr dahinter.«
»Siebtens: Falsche Spuren legen, intelligent. Christliche Symbole, das passt.«
»Quatsch! Wir haben zwei heiße Spuren, wir brauchen keine dritte. Wenn wir nur wüssten, wo die beiden Jungen untergetaucht sind!«
»Du hast recht, war ja nur eine Idee. Wir dürfen in diesem eigenartigen Fall zunächst mal gar nichts ausschließen.«
Staunend verließ ich nach dem kreativen Duo den Sternen. Es war ein billiger, aber nichtsdestotrotz informativer Aufenthalt. Andrea lachte mir zwinkernd zu und machte mit ihrer Hand eine Daswarjaknapp-Bewegung. Ich freute mich, dass so viele Frauen freundlich zu mir waren. Bevor ich auf das schwarze, schwere Eisen stieg, das ich in Andreas Hinterhof geparkt hatte, zückte ich mein blaues Monsterhandy und gab Cäci einige präzise Anweisungen. Zuhause würde schon eine blonde Überraschung auf mich warten. Ich freute mich richtig. Zuvor fuhr ich aber noch bei der Gärtnerei am Friedhof vorbei, sie lag auf der Strecke.
44 Gefahrenanalyse
Das Buch Ester
4:17 Herr, unser König, du bist der einzige. Hilf mir! Denn ich bin allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.
Sie hatte den großen, blonden Burschen schon gestern Abend aus ihrem Versteck heraus gesehen, als er um den Fränkel-Hof herumschlich und die beiden Bauersleute observierte, wie sie das geschlachtete Schwein verarbeiteten. Sie schätzte ihn auf knapp 20 Jahre. Den slawischen Zügen und seiner Kleidung nach könnte es ein Russe sein. Instinktiv wusste sie, dass Gefahr von ihm ausging, große Gefahr.
Schon wieder beobachtete er den Fränkel-Hof, schaute vorsichtig durch die erleuchteten Scheiben, schlich durch Stall und Heuboden und ahnte nicht, dass jeder seiner Schritte mit aufmerksamen Augen kontrolliert wurde. Wenn sie etwas beherrschte, dann das Unsichtbarsein. Schon als Kind kannte sie die besten Verstecke. Versteckspielen war ihre Lieblingsbeschäftigung. Der junge Mann griff immer wieder in seine rechte Jackentasche, als ob er sich vergewisserte, dass er nichts verloren hatte.
Hans hatte sie wieder, ohne groß nachzufragen, bis zur Kreuzung gefahren und nun saß sie schon seit Stunden mit ihrer warmen Jacke auf Beobachtungsposten. Heute galt ihr ganzes Interesse ihm. Und als der Blonde, sichtlich unzufrieden, den Fränkel-Hof verließ, folgte sie ihm auch. Sie wusste, dass sie allein war, sie konnte niemanden um Hilfe bitten. Sie schlug ein hastiges Kreuz und murmelte in die Dunkelheit:
»Bitte, lieber Gott, hilf mir!«
Sie griff in ihrer Tasche nach dem Bild und spürte den zerfledderten Rand.
45 Rachegedanken
Das Buch Jesaja
59:17 Er legte die Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzte den Helm der Hilfe auf. Er machte die Rache zu seinem Gewand und umhüllte sich mit leidenschaftlichem Eifer wie mit einem Mantel.
59:18 Wie es die Taten verdienen, so übt er Vergeltung; er zürnt seinen Gegnern und vergilt seinen Feinden; bis hin zu den Inseln übt er Vergeltung.
59:19 Dann fürchtet man im Westen den Namen des Herrn und im Osten seine Herrlichkeit. Ja, er kommt wie ein reißender Strom, den der Sturm des Herrn vor sich hertreibt.
Sergej lachte still in sich hinein. Er hatte ihn doch noch gefunden, obwohl er vom Hof abgehauen war. Ahnte er, dass ihm jemand auf den Fersen war? Vermutlich war er aus Angst vom Hof geflohen. Oder wollte er nur der Arbeit entgehen, es gibt ja schönere Arbeiten als eine Sau zu verwursten.
Die Polizei ist garantiert auch schon hinter ihm her, die sind ja auch nicht blöd. Nur deshalb ist er abgehauen. Die können auch eins und eins zusammenzählen. Auf jeden Fall war es wichtig, dass er ihn vor der Polizei gefunden hatte. Die Waffe würde er danach im Ried verschwinden lassen. Er wusste auch schon wo. Dann ab nach Stuttgart und von dort wieder zurück in die Ukraine. Kurz, ganz kurz kamen die Zweifel zurück. Wenn er doch nichts damit zu tun hätte? Aber außer ihm kam keiner in Frage und wer flieht, ist schuldig.
Also lag er mit seinem Verdacht richtig, niemand würde fliehen, wenn er unschuldig wäre, niemand! Seine Schwester war zwar eine Schlampe, aber eine Hold bringt man nicht einfach so um. Dafür musste auch jemand sterben, das ist nur gerecht: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er würde wieder für
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