Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
glaube ich nicht, schau dir die Schuhe an. Die trägt man im Wald, auf dem Hof trägt man Gummistiefel.«
»Ich habe gedacht, Tobi sei für die Pilze verantwortlich?«
»Hmm, könnte es nicht sein, dass sie …?«
Cäci schaute mich an, wieder las sie aus meinen Augen und nickte:
»Na klar, so kann es gewesen sein!«
Beide sprangen wir auf.
»Komm schnell. Wir besuchen heute noch das Revier, mal sehen, was die beiden Chefermittler von unserer Theorie halten.«
In diesem Augenblick klingelte das Telefon, es war Frieda:
»Du, Dani, mir ist da was eingefallen, wegen dem Schädel, weißt du, dem Asiatenschädel aus dem Ried. War nicht mal beim Fränkel eine, als er noch die Metzgerei hatte? Da war doch mal ganz kurz eine, so eine Dürre, mit langen dunklen Haaren.«
Auch das passte zu unserer Theorie.
51 Lippenbekenntnisse
Das Buch der Sprichwörter
8:6 Hört her! Aufrichtig rede ich. Redlich ist, was meine Lippen reden.
8:7 Die Wahrheit spricht meine Zunge, Unrechtes ist meinen Lippen ein Greuel.
8:8 Alle meine Worte sind recht, keines von ihnen ist hinterhältig und falsch.
8:9 Für den Verständigen sind sie alle klar und richtig für den, der Erkenntnis fand.
8:10 Nehmt lieber Bildung an als Silber, lieber Verständnis als erlesenes Gold!
8:11 Ja, Weisheit übertrifft die Perlen an Wert, keine kostbaren Steine kommen ihr gleich.
8:12 Ich, die Weisheit, verweile bei der Klugheit, ich entdecke Erkenntnis und guten Rat.
Eigentlich war es ja gar nicht meine Idee, aber ich hatte mich an die Worte erinnert: Halten Sie sich gefälligst aus allem raus. Arbeiten Sie lieber mit den Schülern in Ihrem Religionsunterricht die Traumata auf, die hier entstanden sind!
Jawohl, das ist moderner, problemorientierter Unterricht. Nach all den Ereignissen freute ich mich richtig darauf, meine Kollegen und meinen Chef wiederzusehen, aber ganz besonders freute ich mich, 23 traumatisierte Schüler therapieren zu können. An den Ratschlag der blondgewellten Kommissarin hatte ich mich dankbar erinnert, als ich vor der schwierigsten aller Lehrerfragen stand: Was könnte ich denn unterrichten?
Am Montag, dem 3. November, hatte ich in der PLK Zwiefalten, der Psychiatrischen Landesklinik angerufen, die sich mittlerweile ZfP nennt. Ich erklärte Herrn von Abwinkel-Krausermann, dem Arzt mit psychiatrischer Facharztausbildung, mein Anliegen. Nach kurzem Zögern und unter dem Vorbehalt, dass seine Patientin ebenfalls für dieses spannende Experiment schon bereit sei, stimmte er meinem Plan zu.
Ann-Kathrin hatte sich direkt nach den Ereignissen in das Zentrum für Psychiatrie in Zwiefalten einweisen lassen. Nun erklärte sie sich bereit, als Opfer und Mittäterin den Schülern Rede und Antwort zu stehen. Mein geliebter Rektor Saitling war ebenfalls von der Idee angetan, lebensnah, praxis- und problemorientiert, empathisch und beziehungszentriert, handlungs- und berufsbezogen zu unterrichten. Er hatte mir sogar auf die Schulter geklopft, als ich meinen Vorschlag vorstellte, und gemeint, dass ich nun auf dem richtigen Weg sei. Wenn ich mir vielleicht noch in Sachen Schuhmode von der Frau Parelli, die die Friseurinnen unterrichtet und in allen Modefragen die Koryphäe war eine kleine Anregung holen könnte …
Auf jeden Fall war nun Donnerstag und es hatte tatsächlich geklappt. Ich hatte die Fotografen-Stunde in eine Doppelstunde umgemodelt. Kollege Berzel war überglücklich, mir seine fünfte Stunde abzugeben, so könne er bei Aldi noch die Elektromotorsäge für seine Frau holen. Ich kannte seine Frau nicht.
Ann-Kathrin saß da, wo ich sonst meine Füße auf das Pult legte, neben ihr saß Herr Doktor von Abwinkel-Krausermann. Es war ihm wichtig, mit dabei zu sein, für den Fall, dass übermächtige Erinnerungen, die quasi verdrängt und verschüttet im Unbewussten schlummerten, durch ungeschickte Fragen der Schüler wieder an das Licht des Bewusstseins drängten und dann das Über-Ich eventuell ein spontanes Problemchen bekäme. Er war für diese Doppelstunde eine fleischgewordene Seelennotbremse.
Nervös zuckend hatte sich Doktor von Abwinkel-Krausermann den 23 Schülern in einer zehnminütigen Powerpoint-Präsentation vorgestellt. Geschickt versteckte er sich dazu hinter dem Schutz bietenden Pult. Den Blickkontakt mit den Schülern vermied er tunlichst. Die Schüler wussten nun, dass er 56 Jahre alt, zweimal geschieden und kinderlos war. Seine Hobbys: Golf, Tauchen und Oldtimer. Sein größtes Problem: Aufgrund
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