Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Kommissarin drohte.
»Wer sind Sie?«, hauchte der bleiche Härmle.
»Ich heiße Ann-Kathrin, Ann-Kathrin Fränkel. Manche nennen mich auch das Riedweible.«
Alle schauten die Frau verständnislos an, nur Frau Fränkel schluchzte unverhofft auf und rief mit kehliger Stimme:
»Ann-Kathrin, ja aber … was machst du denn hier? Du bist doch schon so lange …«
Dann brach sie schluchzend mit zuckenden Schultern über dem Tisch zusammen.
»Wer sind Sie, woher kennen Sie Frau Fränkel?«, forschte die Kommissarin sachte nach.
»Ich bin Ann-Kathrin Fränkel, das ist meine Mutter. Tobi ist mein Bruder und die Drecksau da hinten ist mein Vater.«
Fränkel sprang wie elektrisiert vom Stuhl auf und brüllte:
»Was, das Ripp, das dreckige spinnt ja. Ich müsste es ja wissen, wenn ich eine Tochter hätte.«
Tobi schaute fassungslos zur Frau, die behauptete, seine Schwester zu sein. Er schätzte sie auf ungefähr 25 Jahre und als er das dunkle Haar und die ebenmäßigen Züge studierte, fuhr er sich vorsichtig durch sein Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Mama, stimmt das?«
Frau Fränkel schluchzte unaufhörlich und würgte:
»Ja, es stimmt, Ann-Kathrin! Was machst du denn hier?«
Dann stand Frau Fränkel auf und drosch kreischend auf ihren Mann ein. Der zog sich in eine Burg von Händen, Armen und Ellbogen zurück und ließ seine Frau so lange gewähren, bis zwei flinke Polizisten eingriffen. Mit großem psychologischem Geschick, das sie aus vielen amerikanischen Kriminalserien erlernt hatten, redeten sie auf die Veitstänzerin ein:
»Beruhigen Sie sich, Frau Fränkel, alles wird wieder gut! Alles wird wieder gut!«
Dann brach die Rasende auf der Ofenbank zusammen. Ihr Kopf knallte gegen die emaillierten Platten des Kachelofens.
»Notarzt!«
Die Beamten nickten. Der Polizist neben Tobi hob fragend die Handschellen in Richtung Härmle, dessen Übersäuerung des Magens einen bedenklichen Wert erreicht hatte. Der leidende Leitende blickte fragend zu seiner adretten Kollegin. Die Kommissarin schüttelte in Richtung des ratlosen Kollegen mit den baumelnden Handschellen den Kopf und nickte zackig in Richtung Ann-Kathrin Fränkel. Sie deutete auf die vier Fränkels, auf Butzi und auf Sergej und meinte trocken zu Härmle:
»Alle mit auf die Wache? Oder?«
Härmle stieß es sauer, aber befreiend auf. Er nickte. Die aufsteigenden Gase brannten in der Speiseröhre, doch der beunruhigende Druck war auf einen Schlag weg.
»Darf ich nicht mit?«, fragte ich die zufriedene Blondine.
»Bönle, halten Sie einfach Ihren Mund. Wenn ich etwas von Ihnen will, dann melde ich mich bei Ihnen.«
»Ich würde aber gern …«
»Sie würden gar nichts gern, haben Sie mich verstanden!«
»Aber Tobi braucht …«
»Halten Sie einfach Ihren Mund. Ich könnte jetzt jeden brauchen, sogar den Geist von Roy Black, nur nicht Sie!«
»Darf ich mit, wenn ich ein Geständnis ablege?«
Ich streckte ihr meine beiden Hände entgegen und rief zu einem ihrer eifrigen Kollegen:
»Handschellen!«
Nachdem die Beamten und die übrigen Anwesenden das Jagdzimmer verlassen hatten, tat die unberechenbare Schöne etwas, was mir völlig unverständlich vorkam und meine zukünftige Verlobte Cäcilia und ebenso ihre Mutter – die als Wirtin ja so einiges gewohnt war – als Zeuginnen des schier unglaublichen Geschehens aufs Peinlichste berührte. Sie kam ganz nahe zu mir her, zog mich zweimal kräftig mit Daumen und Zeigefinger an der rechten Wange, so dass ein schlabberndes Geräusch entstand. Sie gab mir einen feuchten Kuss auf die Wange und sang:
»Schlaf, mein Bönle, schlafe ein
Die Nacht, die schaut zum Fenster rein
Der runde Mond der hat dich gerne
Und es leuchten dir die Sterne
Schlaf, mein Bönlein, träume süß
bald bist du im Paradies
Denn gleich öffnet sich die Tür
und ein Monster kommt zu dir
mit seinen elf Augen schaut es dich an
und schleicht sich an dein Bettchen ran
du liegst still da, bewegst dich nicht
das Monster zerkratzt dir dein Gesicht
Seine Finger sind lang und dünn
wehr dich nicht, ’s hat keinen Sinn
und es kichert wie verrückt
als es deinen Hals zudrückt
du schreist, doch du bist allein zu Haus
das Monster sticht dir die Augen aus.
Bönle, wissen Sie, was Ihnen fehlt? Ein Papa, der Ihnen mal so richtig den Hintern versohlt, und eine Mama, die Sie in den Schlaf singt.«
Ich staunte, sie kannte Die Ärzte, das Schlaflied und hatte es auch noch vollbracht, mich mit einer
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