Riemenschneider
ruckartige Bewegung mehr, der Stab schwenkte zum Kaltwassertiegel, abkühlen, trocknen, damit keine Blasen in der Kerze entstehen, und wieder versanken die noch schlanken weißen Stäbe im heißen Wachs. »Ave Maria.«
Erst nach dem zehnten Durchgang gönnten sich die Frauen eine kleine Pause. Magdalena legte ein Holzscheit in die Glut. »Ich freue mich so für dich. Und das Kleid … Wir müssen deinen Vater rechtzeitig an den Stoff erinnern. Ich werde dir ein wunderbares Kleid nähen …« Gleich winkte sie ab. »Nein, wir gehen zur Schneiderin. Schließlich bist du die Tochter eines berühmten Bildschnitzers …«
»Und Stadtrat ist er auch.«
»So ist es.« Eine Steigerung nahm die nächste gleich auf die Schulter. »Deshalb kann er sich die Hochzeit seiner ältesten Tochter ruhig was kosten lassen.«
Erneut begrüßten sie die Heilige Mutter etliche Male mit getragener Stimme, dann schnitt Magdalena den frischen Kerzen unten die Gewichte ab, und, mit den Dochten noch an den Stab geknüpft, hängte Gertrud sie zum Abkühlen in einen Holzkasten. »Wenn ich nur wüsste, wen ich heirate. Vielleicht habe ich den Mann ja schon mal gesehen? Du weißt es doch bestimmt nicht? Oder?«
»Nein. Ich schwöre es. Von dir habe ich zuerst davon erfahren. Ich mein, dass Hedwig Suppan hier war, ist ein sehr gutes Zeichen. Dann wird es schon ein wichtiger Mann sein, den du bekommst.«
Gertrud presste beide Hände über den Busen. »Gott, ich wünschte, ich wäre schon bei ihm.«
»Wenn ich dich so höre …« Magdalena seufzte jetzt auch. »Neidisch werden könnte ich.«
»Ehrlich?« Gertrud umarmte sie. »Du bist meine beste Freundin. Und wenn ich ein Kind bekomme …«
»Genug.« Magdalena strich ihr die blonden Strähnen aus dem Gesicht. »Eins nach dem andern. Und als Nächstes kommen die neuen Dochte in den Topf.«
Ein Tag, ausgefüllt mit getuschelten Heimlichkeiten und buntem Pläneschmieden fürs große Fest, dazwischen immer wieder eine lange Litanei »Ave Maria«, bis die Kerzen dick genug waren. Neues Wachs musste geschmolzen werden, und weil der Topf nicht ohne Aufsicht bleiben durfte, brachte zum Mittag eine der Mägde den Frauen die Suppe ans Feuer.
Zwölf Stäbe mit je sieben Kerzen hatten sie sich als Pensum vorgenommen. Als die Gesellen nachmittags die Werkstatt verließen, hingen erst neun Reihen in der Kiste. »Das ist die Strafe«, seufzte Magdalena ohne jede Reue. »Wir haben zu viel geschwatzt. Nun gibt’s für uns noch keinen Feierabend.«
»Mir egal.« Gertrud glühten die Wangen. Aus Scheu und Scham hatte sie nie zuvor gewagt, solche Fragen zu stellen; Magdalena aber war nicht ungeduldig geworden, sondern hatte ihr ausführlich von Frau zu Frau geantwortet. »Ich bin nicht müde. Die ganze Nacht könnte ich mit dir noch Kerzen ziehen.«
»Mein Rücken schmerzt.« Magdalena dehnte sich. »Noch drei Reihen. Und dann reicht es für heute.«
»Ave Maria«, grüßten sie im Duett. Der Stab schwenkte hinüber zum Kaltwassertiegel, abkühlen, trocknen … »Ave Maria«.
Rupert näherte sich dem Feuer, wagte nicht zu unterbrechen und sah den Frauen zu, bis die gerade frisch gezogenen Kerzen neben den anderen im Kasten hingen. »Der Meister meint … Ich mein, er lässt bestellen …« Nach so langer Zeit verunsicherte ihn die Nähe von Magdalena immer noch, er senkte den Kopf. »Der Meister möchte dich sprechen. In der Werkstatt. Ich soll einen Krug Wein und zwei Becher bringen, sagt er.«
»Dann fragst du ihn«, platzte es aus Gertrud. »Bitte, frag ihn nach dem Namen.«
»Aber ja.« Magdalena tätschelte liebevoll den Arm der jungen Frau. »Ich kann mir gut vorstellen, warum er mich sprechen möchte. Es geht um die Hochzeit. Und jedes Geheimnis erfährst du von mir gleich morgen.«
»Hochzeit?« Rupert schmunzelte vor sich hin. »Ja, das ist ein schönes Fest.«
Magdalena krauste die Stirn. »Wer hat dich denn gefragt?« Scharf sah sie ihn an.
»Oder weißt du etwas über die Hochzeit von unserm Mädchen?«
»Gott bewahre, nein.« Gleich stieg ihm die Röte ins Gesicht. »Hab nur gemeint, dass es schön ist, so eine Hochzeit …«
»Bestell unserm Herrn, ich komme, sobald wir fertig sind«, unterbrach sie, und beide Frauen nahmen die Arbeit wieder auf. Ehe die Begrüßungszeremonie begann, sagte Magdalena schnell noch: »Und umziehen muss ich mich. Wenn der Meister schon mit mir Wein trinkt, dann will ich nicht im schmutzigen Arbeitskittel vor ihm sitzen.«
»Das fällt Vater sowieso nicht auf.«
»Sag das
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