Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
ging? Warum wart Ihr so zornig auf mich und wolltet mir verbieten, Mönch zu werden?«
Schweigen. Das Bratenstück mit dem Messer gespießt, hielt Hans Luther auf halbem Weg zum Mund in der Bewegung inne, sah den Sohn scharf an.
Martin spürte den Kältestich, noch mutig, nicht aber mehr mit fester Stimme setzte er hinzu: »Vielleicht zürnt Ihr immer noch? Dabei … dabei ist es doch im Kloster ein so friedvolles, göttliches Leben.«
Zustimmend nickten die Oberen, auch Dr. Staupitz.
Da schleuderte der Bergmann das Fleisch zurück aufs Holzbrett und warf das Messer daneben. Sein Blick funkelte in die Runde. »Ihr gelehrten Herren. Kennt Ihr die Heilige Schrift nicht? Steht dort nicht geschrieben, dass man Vater und Mutter ehren soll?«
»Nie habe ich es an Ehre …« »Werter Hans Luther, bedenkt doch, welches Leben Euer Sohn gewählt …« »So dürft Ihr die Gebote nicht …« Beschuldigter und Verteidiger sprachen gleichzeitig, und keiner von ihnen beendete seinen Satz.
Schließlich hatte Prior Johann von Staupitz mit einer knappen Geste das Wort gefordert und leicht den Oberkörper in Richtung des Bergmanns gebeugt. »Aus Euch spricht der strenge, dennoch liebende Vater, dem der Sohn mit Ungehorsam begegnet ist. Doch Euer Sohn musste sich zwischen Euch und dem Allvater dort oben entscheiden. Und er hat richtig gehandelt. Denn in jenem Gewitter hat Gott mit Blitz und Donner seinen Gehorsam eingefordert.«
Nur wenig hatte Hans Luther die Lippen geöffnet. »Wollte nur Gott, dass dies kein Teufelsgespenst war.«
»Hat denn nichts vor dir Bestand?« Martin erhob sich vom Zellenboden. Er sprach zum Brief, als blickte ihn hinter den Zeilen der Vater an. »Ich weiß, du hattest schon eine Braut für mich bestimmt. Du dachtest, mich als Rechtsgelehrten durch eine ehrenvolle und reiche Heirat in die gute Gesellschaft zu heben. Und ich habe deine Pläne durchkreuzt …«
Wieder heftete sich der Blick auf die Anrede. Harte Strenge, die nur das Beste für ein Kind im Sinn hat und deshalb die Rute gibt? »Auch das ist Liebe«, flüsterte Martin. »Doch willst du so von mir angesprochen werden?«
Er tunkte den Federkiel tief ins Fass, mit breitem Strich schwärzte er »Lieber Vater« und schrieb stattdessen »Vater«. Beim Abheben des Kiels tropfte Tinte, und das Wort war nicht mehr deutlich zu lesen. »Ein Zeichen?« Lange starrte Martin auf den Klecks. »Vielleicht sollte ich den Brief nicht schreiben. Nicht heute.« Er nahm das Blatt, zerriss es von oben nach unten, zerteilte die Hälften, dann auch die neuen Stücke, zerkleinerte den Brief und häufelte die Schnipsel vor sich auf dem Tisch.

19

G ertrud konnte die Hand nicht ruhig halten, der Stab, an dem die sieben hintereinandergereihten Wollschnüre hingen, zitterte. »Zweimal hab ich ihn gefragt. Und er hat auch zweimal genickt. Dann muss es doch stimmen. Oder?«
Unmerklich schüttelte Magdalena den Kopf, noch ehe es ihr gelang, den Mund zu öffnen, übersprudelte sie schon die ängstliche Frage: »Meinst du nein? Bitte nicht? Der Vater hat mich nicht belogen …«
»Still. Sei nicht so aufgeregt.« Magdalena wies in den Topf mit geschmolzenem Wachs. »Du verwackelst uns noch die Kerzen.«
Rupert hatte den Frauen eine einfache Feuerstelle im Hof errichtet. Vier Steine, in der Mitte die Glut, und darüber siedete Wasser im großen Kessel und erhitzte den Topf mit Wachs. »Zieh jetzt erst mal raus!«
Die Neunzehnjährige hob den Stab und kühlte die vollgesogenen Schnüre im kalten Wasser ab. Sorgsam trocknete Magdalena die jetzt steif gewordenen Dochte bis hinunter zu den Gewichten, dann blickte sie die junge Frau an: »Er lügt nicht, jedenfalls nicht mit Absicht. Und so vergesslich dein Vater auch sein mag, solch eine Angelegenheit ist für ihn ja auch wichtig, die behält er schon im Kopf.«
Vorbei war die Wolke, die Augen lachten wieder. »Mein ich auch. Und ich weiß doch, dass Frau Suppan gestern hier war. Lange hat sie mit Vater gesprochen, und als sie ging, da hat sie ihr spitzes Kinn in den Himmel gereckt.« Gertrud kicherte. »Ich hatte schon Angst, sie stolpert noch. Ach, egal. Jedenfalls hat Vater sie bis zum Tor gebracht.«
»Wir sollten anfangen«, ermahnte Magdalena. »Sonst werden die neuen Kerzen nie fertig.«
»Aber zu meiner Hochzeit ziehen wir welche aus gutem Bienenwachs. Duften müssen die.«
Mit Kopfnicken gaben sich beide das Startzeichen. Sieben Dochte tauchten ein. »Ave Maria.«
Diese langsam gesprochene Begrüßung wurde ihr Zeitmaß. Keine

Weitere Kostenlose Bücher