Riemenschneider
Anhörung der Zeugen und des Angeklagten.«
»Das wird eine schöne Hochzeit.« Magdalena seufzte, sie prostete dem Meister zu. »Mit Musik! Nicht wahr?« Schluck für Schluck wärmte der Wein ihr Herz. »Und wir schmücken den Innenhof mit Girlanden. Und abends zünden wir Laternen und Lampions an.« Sie begann zu summen und schwenkte das Tongefäß leicht mit der Melodie über ihrem Kopf. »Ja, tanzen. Wir stellen die Tische rundum an die Wände, und in der Mitte tanzen wir … sollen die Gäste tanzen.«
Magdalena setzte den Becher ab, summte weiter und erhob sich vom Hocker. Sanft drehte sie sich, dabei stopfte sie einen Tuchzipfel hinten in den Gürtel ihres Kleides und hob den übrigen Stoff wie einen Schleier neben sich. So tänzelte sie erst auf der Stelle, wiegte den Körper, dann benötigte sie mehr Raum. Magdalena schloss die Augen, setzte Fuß vor Fuß, kehrte um, der Wein half dem Träumen, und sie ließ sich vom Summen hin und her treiben.
Meister Til betrachtete sie eine Weile. Er suchte in der Tasche seines Wamses und zog zwei Kreidestücke heraus. Da kein Blatt in der Nähe bereit lag, griff er neben sich nach der Figurengruppe für den rechten Flügel des neuen Altars. »Die Windsheimer werden es mir verzeihen«, murmelte er und legte sich die Apostel Bartholomäus, Matthias und Simon bäuchlings über die Knie. »Meine Eva tanzt.« Er öffnete sich der Bewegung, der Linie ihres Körpers und hielt sie mit schwarzer Kreide auf der Rückseite des Reliefs fest … die Neigung des Kopfes …
Magdalena schlug die Lider auf. »Was …?« Sie begriff und fühlte sich leicht. »Aber Herr, das nutzt Euch nichts. So bewegt sich keine Madonna.«
»Soll sie auch nicht. Du bist es. Ich will diesen Augenblick. Tanz nur weiter.«
»Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr mich anschaut.« Leise lachte Magdalena vor sich hin. »Gar nichts.« Und sie dachte an ein Glücksband, es schwebte, flatterte, und sie tanzte ihm nach. War es goldfarben? Oder rot? »Ganz wie Ihr wollt, Herr. Mir gefällt es.« Öllichter glitzerten vorbei. Ich spüre meine Füße kaum. Welch ein seliges Drehen.
»Komm, setz dich wieder zu mir.« Meister Til wies auf den freien Hocker.
»Lasst mich noch eine Weile …«
»Du wirst in diesem Winter noch genug tanzen können.«
Leicht außer Atem, blieb Magdalena stehen, noch im Überschwang sagte sie: »Mein schönster Tanz wäre der mit Euch …« Sie unterbrach sich, wollte den Satz aber nicht ganz zurücknehmen. »Verzeiht, Ihr wisst schon, wie ich das meine.« Und mutig vom Wein, wagte sie sogar, ihn zu necken: »Ich denke, als alte Freundin hätte ich einen Tanz mit Euch sogar verdient.«
Er antwortete nicht und ergänzte mit der Rötelkreide seine Zeichnung. Magdalena trat zu ihm, sie reckte vorsichtig den Kopf. »Wie hingehaucht. So ganz wirklich ist die Frau. Mitten im Tanz. Aber das Gesicht ist noch leer?« Ein großzügiges Nicken. »Ich hab ja was an, Herr. Ihr dürft mich ruhig reinmalen.«
»Später.« Er blies über seine Kreidezeichnung, hob die Apostel von den Knien und stellte sie wieder zu Jesus und den anderen Heiligen zurück. »Ich sagte, dass du fürs Tanzen noch Gelegenheit genug haben wirst. Weil bald noch eine Hochzeit stattfindet.«
Ein scharfes Messer zerschnitt das Glücksband. Magdalena spürte den Stich, ehe er sie traf. »Wer?« Die Frage würgte. »Ich mein … wer?«
»Ich werde mich wieder verheiraten.« Er füllte die Becher, unmerklich zitterte seine Hand. »Kein Meisterbetrieb darf ohne Hausfrau sein. Sie gehört nun mal dazu. Verstehst du?«
»Nein.« Magdalena sank auf den Hocker, presste die Hände an die Schläfen. »Wen … wen nehmt Ihr denn?«
»Hedwig Suppan hat für mich eine Witwe gefunden …«
»Diese Hexe, diese verdammte Kupplerin!«
Er ging nicht darauf ein: » … und ich denke, dass sie meinen Vorstellungen entspricht.«
»Und was ist das?« Nur Flüstern. »Eure Vorstellung?«
»Ist dir nicht wohl?« Seine Stimme klang besorgt. Magdalena fühlte sich ausgehöhlt. »Nein, nichts, Herr.«
»Dann trink doch!« Er reichte ihr den Wein.
Vielleicht wird mir das Elend leichter. Magdalena setzte an, nahm zwei Schlucke, der Wein schmeckte bitter, schmeckte vergiftet. Sie umklammerte den Becher, starrte ins Blut. »Wie muss ein Weib sein, damit Ihr sie als Hausfrau nehmt?«
»Nicht zänkisch, gehorsam …« Als er ihren Blick sah, wurde ihm das Antworten unangenehm, er benetzte die Unterlippe. »Fleißig soll sie schon sein, und das Haus führen muss sie
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