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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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obendrein einen dieser von Euch so geschätzten Mummenschanze ausrichten lassen. Die Kostüme der Damen aus Atlas und kostbarem Damast, die Verkleidung der Herren ausgestattet mit Zobel und anderen Pelzen. Masken und Musikanten! Und immer noch wäre Gold übrig geblieben. Stattdessen aber wächst der Schuldenberg, wächst und wächst … Dem sonst so nüchternen Mann werden die Augen feucht.
Sein Nachbar bemerkt es. »Ja, Ihr tut recht. Wir Männer sollen uns nicht schämen, wenn die Rührung uns überkommt.« Ihm selbst bebt das Kinn, und er muss die Tränen mit den Handflächen trocknen.
Vorn am Altar erreicht die Zeremonie den Höhepunkt. Mit mächtiger Stimme verkündet der Bischof: »Hoch lebe Maximilian, der erste dieses Namens!« Tief atmet er ein. »Hoch lebe Maximilian, der erwählte römische Kaiser!«
Beifall, nicht enden wollende Hochrufe brausen durch den Kirchenraum, und über dem Jubel schwebt der strahlende Gesang der Chorknaben.
Maximilian lächelt, mit beiden Händen ergreift er die Krone und hebt sie leicht an, ein Blick hinauf, der strahlende Reif beflügelt seine Fantasie. Kaiser sein genügt nicht. Diese Erkenntnis strafft den kräftigen Rücken. Erst, wenn ich auch Papst bin, habe ich mein Ziel erreicht. Beseelter wird das fürstliche Lächeln, und während es den Begeisterungssturm der Anwesenden verstärkt, setzt Maximilian die Krone wieder aufs Haupt und sucht den Augenkontakt mit seinem Schatzmeister in der zweiten Reihe. Und du, mein geiziger Zwerg, ich höre dich schon zetern und jammern, aber du wirst mir die notwendigen Geldmittel beschaffen, für das Konklave in Rom. Jeden Kardinal bestechen wir mit hohen Summen. So wird meiner Wahl zum Papst nichts im Wege stehen …
Die Kerzen sind ausgeblasen; längst hat sich die Festgesellschaft zum Prunkmahl hinüber in den bischöflichen Palas begeben; im Dom zu Trient schwebt noch der Duft nach Weihrauch und Bienenwachs. Der Küster steht im Mittelgang, er starrt auf das Goldstück in seiner offenen Hand. »Ist doch ein guter Tag, heute«, flüstert er und wiederholt es immer wieder.
Würzburg

Zwei Schüsseln. Frühmorgens, lange bevor die Mägde ihre Arbeit beginnen, steht Gertrud nur mit einem Kittelhemd bekleidet in der Küche. Ihr Haar ist noch aufgelöst, die Augen glänzen, erneut schärft sie das Messer am Lederriemen und beugt sich über den geräucherten Aal vor ihr auf dem Tisch. Sie greift den Kopf und schlitzt die Haut der Länge nach auf; während sie den Leib häutet und geübt in Stücke schneidet, schiebt sich ihre Zungenspitze durch die Lippen. »Das muss genügen.«
Zuvor hat sie schon eine Kalbsleber zerkleinert. »Fleisch und jetzt auch noch Fisch. Besser zu viel als zu wenig.« Auf dem Weg nach draußen rümpft Gertrud angeekelt die Nase: Geruch nach Blut und Fisch steigt aus den Schüsseln, von ihren Fingern. »Nur gut, dass ich gleich das Bad nehme.«
Im Hof wird sie vom alten Wachhund mit Schwanzwedeln begrüßt. »Nein, das ist nicht für dich.« Sie schiebt ihn mit dem Fuß sanft zur Seite und eilt zum Holzschuppen hinüber. Dort im Halbdunkel muss Gertrud die Katzen nicht lange locken. Erst zwei, dann auch die rötlichbraun gefleckte dritte fallen voller Gier über die Köstlichkeiten her.
Eine Weile lauscht sie dem leisen Schmatzen. »Damit wir uns auch richtig verstehen. Fürs gute Fressen von mir sorgt ihr für gutes Wetter heute. Den ganzen Tag und auch den Abend über, auch dann noch, wenn ich mit meinem Bräutigam …« Ihre Stimme gerät leicht ins Wanken. »Wenn Bernhard und ich dann oben in der Stube sind und unten die Hochzeitsgäste weiterfeiern.«
Auf dem Weg zurück beschirmt die älteste Tochter des Bildschnitzers ihre Augen, um nicht einen vorzeitigen Blick auf den Brautwagen zu werfen. Diese Neugierde kann die Fahrt zur Kirche gefährden, womöglich stößt der Wagen sogar ans Hoftor. »Und Unglück will ich später in der Ehe keins haben. Nur nicht.«
Unten in der Waschküche wird sie von Magdalena empfangen. »Na, endlich. Zieh dich aus, wir müssen uns sputen, wenn wir rechtzeitig fertig sein wollen.« Gertrud steigt über den Bottichrand und sinkt ins Warme, ist mit einem Mal umgeben vom Duft nach Rosenöl, Melisse und Heublumen. »Er wird den Ring doch nicht vergessen? Oder?«
»Dein Bräutigam ist Hofschultheiß.« Magdalena windet das Haar zu einem losen Zopf und steckt ihn hoch. »Solch ein Mann vergisst den Brautring nicht. Also sorg dich nicht!«
Nach dem Bad geleitet sie die aufgeregte

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