Riemenschneider
Jungfrau hinüber in den Nebenraum. Für gewöhnlich wird hier bei schlechtem Wetter die Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Seit einer Woche aber dient der Raum als Brautstube. Kein Mann, auch nicht der Meister, keine Kinder, vor allem aber keinesfalls der Bräutigam dürfen ihn betreten, nicht einmal ein Blick hinein ist ihnen erlaubt.
Eine rosafarbene Schaube, in gleicher Farbe das Kleid, die Schürze; und alle damastenen Träume sind mit Seide gefüttert, der Schleier ein luftiger Hauch, bestickt mit Perlen. »Wird es ihm wirklich gefallen?«
»Dein Bernhard kann sich glücklich schätzen. Denn er bekommt den schönsten Engel dieser Stadt zur Gemahlin.« Umsichtig kleidet Magdalena die Braut für ihren hohen Tag; sie muss beruhigen, zuhören und hin und wieder ermahnen, dass in der Erregung nicht ein Haken reißt oder gar eine Naht aufgeht. Sie nimmt Gertrud an die Hand und zieht sie vor den Spiegel. »Nur ein einziger Blick.« Ein ungläubiges Atemholen, dort steht eine fremde Schöne.
»Und nun schließ die Augen. Bleib so, bis ich es dir sage!« Magdalena setzt ihr den aus Blumen und Bändern gewundenen Brautkranz aufs Haar und steckt ihn mit Spangen fest. Sanft drückt sie einen Kuss auf die leicht gerötete Wange. »Wir haben es geschafft. Schau hin. Na?«
»Das Kleid ist so … so wunderbar, dass ich glaube, dass es gar nicht meins ist.«
»Dummerchen. Es ist nur für dich gemacht.« Magdalena legt sich den Schleier in losen Falten über den Arm. »Und später wirst du es gut gebrauchen können.« Beim Weitersprechen schmunzelt sie über sich selbst. »Das Brautband nimmst du als erste Windel … dein Halstuch wird die Schmerzen deines Kindes lindern … und das Hochzeitskleid …«
»Mach dich nicht lustig.«
»Aber nein.«
»Glaubst du nicht, dass eine Braut den Katzen gutes Futter geben muss, damit das Wetter am Hochzeitstag schön wird?«
»Nein … Vielleicht ein bisschen schon, aber nicht wirklich. Wenigstens schadet es dem Wetter nicht.« Als Magdalena feststellt, wie wenig die Braut heute empfänglich für Scherze ist, wechselt sie gleich das Thema. »Den Schleier stecke ich dir nachher an, sobald du auf dem Wagen sitzt. Komm jetzt!«
Draußen im Hof empfängt sie lautes Knallen. Rupert schreitet von einer Hofecke zur anderen und schwingt die lange Peitsche, um auch die letzten bösen Dämonen zu vertreiben. Hinter ihm bemühen sich die drei rothaarigen Buben des Meisters Schritt zu halten. Alle sind gekämmt und im Sonntagsstaat, eifrig wedeln sie ihre kleinen Peitschen durch die Luft. Weil Barthel nicht ein einziger Knall gelingt, droht er mit heller Stimme: »Weg mit euch! Wir wollen keine Geister! Weg mit euch!«
Meister Til umarmt vorsichtig die Braut. »Meine Schönste. Heute müssen wir Abschied nehmen. Das Kind vom Vater.«
»Aber ich werd immer deine Tochter bleiben.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Schellenklingeln, helles Läuten vieler kleiner Glocken lärmt draußen auf der Franziskanergasse. »Der Bräutigam ist da!«, meldet Tobias von der Pforte her und öffnet mit Katharina die großen Torflügel.
Ein leichter Schwung, wie eine Feder lässt der Bildschnitzer seine Tochter auf den geschmückten Wagen hinaufschweben, die drei Buben klettern nach, und gleich stellen sich die vier Geschwister seiner letzten Frau mit Katharina und Florian als Anstandswächter um sie herum.
Til wendet sich Magdalena zu, sie hält dem Blick stand. »Es wird ein schönes Fest, Herr. Das ist dann unsere erste Hochzeit im März …« Magdalena muss heftig atmen, ehe sie weitersprechen kann. »Die erste von dreien …«
Stumm bietet er seiner Eva den Arm; aus einer Regung heraus aber wartet er nicht, sondern umfasst ihre Hüfte, einen Moment drückt er ihren Körper an sich, dann hebt er sie vom Boden und setzt sie behutsam mit den Füßen auf die oberste Stufe der Trittleiter. »Gut, dass du geblieben bist.« Sein Blick füllt sich mit Wärme: »Bringen wir die Braut zur Kirche!«
Meister Til steigt zu Rupert vorn auf den Bock. Ein leichtes Schlagen der Zügel, und feierlich langsam setzt sich der Brautwagen in Bewegung.
Die Domglocken bleiben stumm. Noch an der breiten Treppe vor dem Hauptportal schickt Hans Bermeter einen vorwurfsvollen Blick hinauf zu den Türmen. Sosehr er sich auch in schönster Schrift und auf bestem Papier beschwert hat, die Herren vom Kapitel sind hart geblieben: Die großen Glocken werden nur geläutet, wenn ein Paar aus vornehmem Geschlecht sich im Dom das Jawort gibt, und nicht
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