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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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werde unsern Rupert heiraten.«
Jetzt musste der Meister trinken, große Schlucke, dann schenkte er sich nach, erst als er absetzte, fragte er: »Und weiß Rupert schon davon?«
Geräuschvoll stieß Magdalena den Atem aus, blickte zum dunklen Fenster hinüber und schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber Rupert wird mich schon wollen, da bin ich mir ganz sicher.«

Trient

Alles hat schnell, viel zu schnell gehen müssen. Nein, in der Stadt waren keine Blumen aufzutreiben, auch nicht in den Gärtnereien außerhalb. Wo sollen sie auch herkommen? »Ist noch viel zu kalt draußen. Schließlich haben wir erst Februar«, schimpft der Küster des Doms zu Trient vor sich hin und zündet die Altarkerzen an. »Hätte ich es früher gewusst, dann hätte ich mir aus dem Süden welche bringen lassen.«
Stöhnen vom Eingangsportal her. »So ein Sauwetter.« Seine regendurchnässten Helfer schleppen den mit Tüchern bedeckten hohen Stuhl aus dem Palas des Bischofs in den Kirchenraum. »Stellt ihn hier rechts vor die Stufen. Trocknet ihn. Dann legt die Brokatdecke drüber.«
»Diese verdammten Venezianer.« Seit einer Woche hasst der Küster das Volk auf der Lagune. Nicht weil ein Bürger Venedigs ihn etwa betrogen, geschlagen oder von Angesicht zu Angesicht beleidigt hat, nein, er hasst die Venezianer, weil ihre siegreichen Truppen das Etschtal besetzt halten und den deutschen König Maximilian I. daran hindern, weiter nach Rom zu ziehen. »Da hätte er sich vom Papst die Kaiserkrone aufsetzen lassen sollen. Wie es sich gehört. Aber nein. Jetzt hab ich die Arbeit mit der Krönung. Putze, schmücke, renne und wofür? Dieser verdammte …« Er hält rechtzeitig inne. Besser Venedig verfluchen als den Gast seines Bischofs. Lauscher gibt es überall …
Die gläsernen Stimmen der Chorknaben sind im Himmel der mächtigen Kirche verhallt. Und als wären Sterne zum Festakt hinabgesunken, erhellt Kerzenglitzern den Altarraum. Flankiert von zwei Priestern greift der Bischof nach der Schale. In wohltönendem Bass begleitet sein Betgesang jede Geste. Er streicht geweihtes Öl zwischen die Schulterblätter, auf den rechten Arm des Königs. Als Maximilian der purpurne Krönungsmantel umgelegt wird, entringt sich seinem Schatzmeister in der zweiten Reihe der anwesenden Gäste ein Seufzer. Welche Summen hat diese unselige Heerfahrt verschlungen! Bald schon nach dem Konzil in Konstanz war König Max im letzten Oktober aufgebrochen. Ein Heer von 20000 Mann hatte er gefordert. »Ich will endlich die Kaiserkrone gewinnen … Ich will für unser Reich den Pfad nach Rom auf ewig zurückerobern.« Nur 12000 Bewaffnete waren ihm vom Reichstag bewilligt worden, und auch deren Aufrüstung hatte er nicht abgewartet, sondern war voller Ungeduld mit viel weniger Truppen über die Alpen gezogen. Von vornherein war der Romzug zum Scheitern verurteilt. Wieder seufzt der Schatzmeister.
Sein Nachbar nickt verständnisvoll. »Ein erhebender Augenblick, nicht wahr«, flüstert er. »Majestät ist so liebenswürdig, so … wunderbar, nicht wahr …« Das Kopfnicken genügt dem Bewunderer als Antwort, und er richtet wieder den Blick nach vorn.
Der Bischof setzt dem König die schwere achteckige Krone aufs Haupt. »Jubilate! Jubilate!« Nach den Freudenrufen nimmt Maximilian das Schwert aus der Hand des Hirten von Trient. Machtvoll schwingt er die Waffe dreimal auf und nieder, dann legt er sie auf dem Altarstein ab. Das Versprechen ist gegeben: Der künftige Kaiser wird von nun an Schutz und Arm der Kirche sein. Edelsteine blinken auf, Gold funkelt im Schein der Kerzen, als dem Gesalbten Zepter und Reichsapfel gereicht werden. Feierlich wendet er sich der Festgemeinde zu, sein Blick zeigt Mut und Stolz, scharf bricht sich das Licht am Nasenhöcker, dem wahrhaft mächtigen Prunkmerkmal des Habsburger Geschlechts.
Der Knabenchor jubiliert, und die versammelten Edlen stimmen mit ein: »Maximilian, der Römer auf ewig unbesiegtem Kaiser, Sieg und Segen! Dem immer Erhabenen Sieg und Segen!«
Trotz ehrlichen Bemühens bringt der Verwalter des Staatssäckels keinen Ton hervor. Unbesiegt? Aber wir stehen hier, weil wir eine Niederlage nach der anderen erlitten haben. Um nicht aufzufallen, bewegt er zu dem Lied die Lippen, doch sein stummer Text ist voller Klage: Ach, Majestät, musstet Ihr Euch unbedingt diese teuere Nachbildung der Reichsinsignien anfertigen lassen? Für diese Summe hätten wir leicht einen kleinen Krieg finanzieren können, und ich hätte Euch noch

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