Riemenschneider
für die Trauung eines Spielmanns; schon gar nicht, wenn dieser noch kein Bürgerrecht erworben hat, und vor allem nicht, wenn er solch eine Person heiratet. »Solch eine Person«, zischelt er vor sich hin. »Ich tue ein frommes Werk. Schließlich hole ich Lisbeth aus der Gosse. Durch mich wird sie wieder ein ehrbares Frauenzimmer.«
Die Freunde umringen ihn, und der Schneider Schnappenspengler setzt ihm ein samtenes Barett auf, verziert mit einer Borte aus Glasperlen und Blumen. »Unser Bräutigam ist bereit.« Im Feixen der Kumpane überbieten sich Spott und Schadenfreude. Zum hohen Fest trägt Hans Bermeter ein hellrotes Hemd mit Rüschen an Brustlatz und Handgelenken, darüber den dunkelroten Rock; das grelle Gelb und Rot der Strümpfe versinkt im Braun seiner breitmauligen Lederschuhe. »Herausgeputzt hat er sich für seine Lisbeth.«
»Nur keinen Neid.« Bermeter reibt zwischen Zeigefinger und Daumen den Ärmel seines Rockes. »Atlas und Seide.« Er tippt auf die Spange an seiner Brust. »Das ist Gold. So was könnt ihr euch nicht leisten. Und jetzt haltet euer Maul und bringt mich rein!«
Süßlicher Verwesungsgeruch beklemmt das Atmen, beim ersten Blick scheint das weite Langhaus menschenleer, nach eiligen Schritten, vorbei an den Grabmälern der Bischöfe zum Chorraum, erreichen die Sauf- und Spielkumpane mit dem Bräutigam den Nebenaltar vor einer der Säulen.
»Der Kerl hat sich nicht gedrückt.« Ein Aufseufzen geht durch die Reihe der züchtig verhüllten Damen aus dem Frauenhaus. Keine hat gewagt, gegen die strenge Kleiderordnung der Stadt zu verstoßen. So reichen die gelblichen Umhänge bis zu den Füßen, als Kopfbedeckung dienen den Schönen weite Männerkapuzen, und ihr Wimpernschlag, ihre Blicke und sprechenden Lippen sind der einzige Schmuck, den sie tragen.
Wenige Schritte hinter ihnen wartet die Glückliche neben ihrem Brautführer. Ab heute darf sie sich wieder wie eine Bürgerin kleiden, und alle Freundinnen haben bei ihren Freiern gesammelt, selbst dazugegeben und eigenhändig mit Schere, Nadel und Faden den Hochzeitsstaat gezaubert. Eine von ihnen hat geschafft, was sich alle heimlich wünschen; und helfe ich heute ihr, dann wird mir morgen auch geholfen. Lisbeth trägt ein Kleid aus leibfarbenem Linnen, kaum fasst es den Busen und fällt in üppigen Falten über die Hüfte. Eine dünne Goldkette ziert den Hals, der Schaft des kleinen Kreuzes weist den Weg ins Tal ihrer Brüste.
Als der Zukünftige zwar etwas verspätet, aber dennoch rechtzeitig zur Feier erscheint, hüpft das Brautherz, und jäher Schluckauf löst einen hellen Ton, wie eine Perle steigt er ins Domgewölbe auf. Mit einer Hand versucht Lisbeth ängstlich, die Nachfolger zurückzuhalten, und muss bei jedem Schluckauf mit der anderen den Brautkranz im blonden Haar sichern.
Domherr Paulus Schroter erscheint eiligen Schritts, und während er vor dem schmalen Altar niederkniet, schlägt ein Spielmannskollege die Laute und stimmt das Eingangslied an. Aus voller Brust fallen die Damen vom inneren Stadtgraben mit ein. Der Priester wendet sich der Festgemeinde zu. »In nomine Patris, et Filii et Spiritus Sancti.«
Kaum wartet der Domherr das Amen ab, schon fordert er zum Gebet auf. Bei jeder Geste, jedem Wort ist ihm anzumerken, wie sehr er diese Aufgabe heute verabscheut. Doch Hans Bermeter hat ihn als Priester beim Würfelspiel gewonnen. »Ich setze zwölf Schillinge, und Ihr, Herr, setzt eine Trauung dagegen. Wenn Ihr verliert, werdet Ihr mich im Dom trauen. Mit allem, was dazugehört.«
Die Brautleute sollen vortreten. Hans Bermeter streift mit dem Blick die Gesichter der Huren, das verächtliche Aufwerfen der Lippen nimmt er als Freundlichkeit, vor dem Altar dehnt er die Brust, und die goldene Spange auf dem Rockrot blinkt seinem frommen Würfelgegner ins Auge.
Melchior, der Wirt des Frauenhauses, hat es sich nicht nehmen lassen, Brautführer seiner jüngsten Hure zu sein. Erst mit Aussperrung für einen Monat, mit Androhung von Prügel und durch stetige Sticheleien und böse Nachreden seiner Damen war es endlich gelungen, den übelsten der Bordellgäste in die Ehe zu zwingen. Heute heiratet er die Lisbeth aus Nürnberg, und ab morgen darf er sich nicht mehr im Hurenhaus blicken lassen, weil nun mal Ehemännern der Besuch eines Frauenhauses verboten ist. »Nur schade um das freundliche Frauenzimmer.«
Melchior bietet ihr den Arm, und während er sie gemessenen Schritts zum Altar führt, besiegt die neue Erregung den Schluckauf,
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