Riemenschneider
und Hans schlagen nun einen Wirbel dagegen. Magdalena hebt die Hand, fordert Achtung, und auf ihr Zeichen hin ruft der Chor: »Viel Glück und viel Segen! Allezeit!«
Barthel geht zur neuen Stiefmutter, er legt ihr den Löffel in den Schoß. »Damit du uns immer eine gute Suppe rührst.« Mit dem Applaus der Zuschauer läuft er zurück und schmiegt sich an Magdalenas Seite.
Die Braut zeigt ihr Lächeln: »Ein reizender Junge.« Leicht tippt sie Til auf den Unterarm. »Sag, lieber Bester. Diese Magd, wie lange dient sie schon auf dem Hof?«
»Mehr als zehn Jahre …« Einen Moment bleibt er im Blick auf Magdalena versunken. »Lange schon. Sie kannte noch meine erste Gemahlin.«
»Und was hat die Magd für Aufgaben?«
»Sie steht über den anderen. Und sie erzieht mir die drei Buben.«
»Eine tüchtige Person also.« Margarethe dreht den Hochzeitsring an ihrem Finger und setzt betont sanft hinzu. »Sie wird sicher auch mir eine große Stütze sein.«
Ein Jubel der Fidel, ein Locken der Laute. »Aufstellen zum Tanz! Seid nicht faul! Aufstellen zum Tanz!«
Stufe für Stufe geht Magdalena langsamer. Unten vom Hof her dringt leise Musik ins Treppenhaus, gedämpftes Lachen der Gäste ist noch zu hören. So unauffällig wie möglich hat sie das Fest verlassen. Nur Rupert wusste es, doch der Meister hat es geahnt, und von Gertrud ist sie an der Tür aufgehalten worden. »Jetzt stehe ich dir bei.« Die junge Gemahlin des Hofschultheißen wollte die heute frisch vermählte Braut hinauf in die Hochzeitskammer begleiten. »Du hast mich vor drei Wochen auch nicht alleingelassen.«
Gerührt hat Magdalena sie an sich gedrückt. »Danke, du bist ein liebes Mädchen.« Ein zarter Kuss auf die Wange half weiterzusprechen: »Bei mir ist es schon das zweite Mal. Ich benötige wirklich keinen Beistand.«
Magdalena blickt in die ruhig brennende Flamme der Wandleuchte. »Ich hab gelogen.« Sie schüttelt den Kopf. »Hilfe bräuchte ich schon. Nur nicht von dir. Auch nicht von sonst wem.« So leer wird ihr mit einem Mal. »Ich glaub, helfen kann mir jetzt keiner mehr. Jetzt ist alles fest. Er ist verheiratet und ich auch.« Sie muss die Augen reiben. »Nicht mal mehr hoffen kann ich …«
Ihre Füße sind schwer, obwohl der Meister die Brautschuhe vom Schuster hat anfertigen lassen. »Ich darf mich nicht beklagen. Er hat sich wirklich an unsere Abmachung gehalten.« Trotz heftiger Proteste von Seiten der neuen Hausherrin im Wolfmannsziechlein: »Wie kannst du nur? Sie ist unsere Bedienstete«, ließ Tilman Riemenschneider für seine Eva eine große Hochzeit ausrichten. Angefangen beim Brautkleid bis hin zum festlichen Tanz am Abend des großen Tages hat er nicht auf den Pfennig geschaut. Und das Nähzimmer durfte als Brautgemach hergerichtet werden. Die Kammer liegt weit genug von den Unterkünften der Gesellen, Lehrbuben und Mägde entfernt.
Magdalena öffnet die Tür, drückt sie hinter sich zu und lehnt den Rücken dagegen. »Ich wollt, es würde uns einer stören«, flüstert sie. »Vielleicht hätten wir doch in meine Stube unterm Dach vom Stadtschreiber gehen sollen? Leichter wär’s. Mit Florian nebenan hätte ich eine gute Entschuldigung.«
Die Öllampe auf dem Tisch gibt warmes Licht. Mit Stoffblumen und bunten Bändern sind die Wände geschmückt. Doppelt liegen die Matratzen, weiß das Linnen und hochbauchig das Federbett. Die Mägde vom Wolfmannsziechlein haben das Nest liebevoll bereitet.
Magdalena schlurft durchs Zimmer und lässt sich auf den Hocker sinken. »Als ob er es gewusst hätte.« Vom letzten Tanz vorhin spürt sie noch den Druck seiner Arme, sein Geruch verursacht ihr noch das Ziehen im Bauch. Dreimal hat Meister Til sie aufgefordert. Gleich zu Beginn hat er sein Recht als Hausherr wahrgenommen, da war er ihr fremd gewesen, kein Lob hatte sie ihm geglaubt, dann beim langsamen Schreittanz hat er sie beinah traurig angeschaut, und bei jedem Handwechsel ihre Hand sehr spät losgelassen. Vorhin aber, als sie nebeneinander wie die anderen Paare leicht hüpfen sollten, hat er sie mit dem Arm fest umfasst, selbst schritt er nur, und hob Magdalena im Rhythmus der Musik vom Boden, ließ sie schweben, setzte sie ab und hob sie wieder an. »Weil es dunkel genug war«, wiegelt Magdalena ab. »Und ›Eva‹ hat er geflüstert, weil er schon viel vom Wein getrunken hat.«
Sie wischt über den Tisch, dabei stößt ihre Hand gegen ein Kästchen. Noch in Gedanken hebt sie den Deckel ab. Ein kleines Holzkreuz, gerade groß genug, um
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