Riemenschneider
Stadtschreiber versucht einen Scherz: »Nicht dass wir sie irgendwann verwechseln.«
Sofort fühlt sich Til angegriffen. »Auch wenn sie etwas älter ist als deine Frau«, flüstert er hinter vorgehaltener Hand. »Auf den zweiten Blick erkennt man ihre Werte.«
»Unbestreitbar, lieber Freund«, beeilt sich Martin zu glätten. »Nur Gutes habe ich über sie vernommen. Nur Gutes.«
Auf dem Gabentisch an der Wand häufen sich Geschenke: silberne Becher und Schalen, bemalte Krüge, teure Stoffe, Gewürze und mit Perlen besetzte Kästchen, die ihre Überraschung noch verschlossen halten. Als Schankknechte die Weinkrüge hereintragen, begrüßt sie sehnsüchtiges Aufseufzen. Und mit gefüllten Bechern erheben sich alle von den Plätzen. »Hoch lebe das Brautpaar!«
Musik erklingt draußen vor dem Eingang. Leichten Schritts tänzeln zwei bunt gekleidete Spielleute herein, der eine schlägt die Laute, der andere streicht den Bogen über die Fidel. »Seid gegrüßt!« Ihre Verneigung gilt dem Ehrenpaar, dann wenden sie sich der Festgesellschaft zu: »Ihr Damen, Ihr Herren, seid gegrüßt. Möge Euch das Essen munden und möge unser Spiel die Würze für Eure Ohren sein!« Die artige Anrede gefällt und die Künstler ernten ihren ersten Applaus.
Auf Bitten Magdalenas hat Meister Til dafür gesorgt, dass keiner der Würzburger Stadtmusikanten heute aufspielt, sondern zwei aus dem nahen Ochsenfurt. »Der Tag wird schon schlimm genug für mich, Herr. Erspart mir wenigstens diesen Hans Bermeter!«
Der Duft aus dampfenden Schüsseln höhlt die Mägen vollends aus, und der aufgähnende Hunger lässt sich fürs Erste von Fettaugen, unter denen gehackter Lummel schwimmt, besänftigen; gleich aber treibt er das Wasser wieder in den Mündern zusammen, denn auf silbernen Platten häufen sich goldbraun gebratene Hühner. Als mit demselben Gang auch gesottener Hecht die Esser verlockt, erwacht die Gier, diese unmäßige Geliebte des Hungers. Bald verstopfen Kauen, Schmatzen und Schlucken jedes Gespräch, selbst das Kichern der Kinder im Nebenraum verstummt. Obendrein wird die Festgesellschaft unermüdlich von den Musikanten mit heiterem Ohrenschmaus gefüttert. Nicht genug. Die Tür öffnet sich wieder, und zu fetttriefenden Tauben, jungen Hähnen und Gänsen wird Hirsemus und gepfefferte Lebersülze gereicht. Von einem Bissen zum anderen erlahmt die Gier, und sie entschwindet ermattet mit ihrem Herrn, dem Hunger. Lange bleiben Käse und kandierte Früchte unberührt, erst große Schlucke vom Frankenwein schaffen Platz, auch diese letzten Köstlichkeiten zu genießen.
Georg Suppan rülpst und schmeckt mit der Zunge nach. »Ein Essen … So stelle ich mir das Paradies vor …«
Gleich trifft seine Hand ein scharfer Klaps. »Schmeckt es dir etwa zu Hause nicht?« Hedwigs Blick verlangt eine Antwort.
»Natürlich. Du bist mir eine gute Hausfrau.« Das wohlige Sattsein verführt. »Nur sprach ich nicht von dir, sondern vom Paradies …«
»Schäm dich!« Hedwig neigte sich der Braut zu. »Diese Männer. Da bieten wir ihnen ein geordnetes Heim, mühen uns, aber zufrieden sind sie nie.«
»Ich kenne das. Mein Wurzbach war nicht anders.« Margarethe blickt kurz zu ihrem Bräutigam. »Bei meinem Riemenschneider habe ich Hoffnung. Weißt du, er wird mir einfach dankbar sein müssen.« Bekümmernis trübt die grauen Augen. »Mit der liederlichen Wirtschaft ist jetzt Schluss. Dem Hof Wolfmannsziechlein fehlte wirklich eine feste Hand.«
»Du bist die Beste für unseren Bildschnitzer.«
Der Stubenmeister läutet die Glocke. »Erhebt Euch von den Plätzen. Wir bereiten den Tanz vor.« Rasch sind die Tafelreihen abgebaut, hinausgeschafft und die Bänke entlang der Wände zurückgeschoben. Nachdem sich das Hochzeitspaar auf den Ehrenstühlen neben seinem Gabentisch niedergelassen hat, schreiten die Musikanten bis zur Mitte der Tanzfläche, sie warten, bis Stille eingekehrt ist, dann zupft der Lautenspieler eine kleine Melodie.
Im Nebenraum setzt Klopfen ein, es findet sich zu einem gleichen Rhythmus, und Barthel erscheint, auf der Schulter trägt er einen übergroßen Löffel, ihm folgen im Hüpfschritt die Brüder, jeder schlägt mit zwei Löffeln den Takt. Florian und Katharina tragen den Kleinen in einem großen Tiegel hinterher. Den Schluss der Prozession bildet Magdalena, ihr Blick und das Lächeln gelten nur den Kindern.
Mit entzückter Spannung verfolgen die Gäste das kleine Spiel. Vor dem Hochzeitspaar stellen die Größeren den Topf ab, Jörg
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