Riemenschneider
Allein.«
Peter Geiß glättet den Kinnbart. »Anhören kann ich es mir ja.« Und während Else draußen bei Frau und Kindern bleibt, führt er Joß in die Stube. »Von weit her?«
»Zuletzt war ich in der Schweiz.«
»In der Schweiz also«, wiederholt der Hausherr freundlich und nickt dabei. »Und ein einfacher Landmann?«
»Ein Bauer eben.«
»So wie ich einer bin? Verschuldet, weiß den Zins nicht zu zahlen …«
»Ja, genau so.«
Peter Geiß strahlt voller Wohlwollen. »Darauf trinken wir einen Schluck. Bei uns wächst guter Wein, musst du wissen.« Damit geht er hinter dem Besucher zum Wandregal. Kaum ist er aus dem Blickfeld, erkaltet seine Miene. Der Dolch springt ihm in die Faust, schon steht er im Rücken des Fremden, die Spitze des Stahls drückt sich in die Halsseite. »Eine Bewegung, und ich stech dich ab. Eine Lüge, und ich schneid dir die Kehle durch.«
Joß Fritz bleibt gelassen. »Wie recht du hast. Wir können nicht vorsichtig genug sein.«
»Schluss mit dem Geschwätz. Ein Bauer bist du nicht. Solche Kleider kann sich unsereins nicht leisten. Was willst du hier?«
»Ich bin den weiten Weg gekommen, weil ich mit dem Hauptmann des Armen Konrad sprechen muss. Du bist doch der Anführer des Armen Konrad hier im Remstal? Oder?«
»Woher weiß so einer wie du …?«
»Ein Bruder weiß von seinem Bruder.« Mit der Fingerspitze berührt Joß die Klinge und schiebt sie langsam von seinem Hals weg. »Ehe ich wieder ins Badische zurückkehre, wollte ich dich treffen. Weil wir gemeinsam handeln müssen.«
»Du redest, als wären wir Vertraute, aber ich kenne dich nicht. Verdammt, wer bist du?«
»Wenn du der Richtige bist, dann kannst du mir antworten.« Joß schließt die Augen und fragt betont langsam: »Loset, was ist nun für ein Wesen?« Dem Geißenpeter sinkt das Kinn. »Wir mögen …«, flüstert er. »Wir mögen vor Pfaffen und Adel … nit genesen.« Der Dolch verschwindet im Gürtel. »Die Parole vom Bundschuh. Das war vor Jahren der Aufstand drüben bei Bruchsal.«
Einer jähen Eingebung folgend, greift er nach dem lose gesteckten Halstuch des Besuchers, untersucht den Stoff und findet das eingenähte rote Schildchen mit dem schwarzen H aus Samt. »Das Erkennungszeichen der Oberen. Jetzt glaub ich dir, Freund. Als euer Bundschuh verraten wurde, sind einige von euch hier ins Remstal geflohen, gehören jetzt zu uns, sind in meinem Armen Konrad.«
Joß Fritz deutet auf den Weinkrug. »Lass die Kehlen nicht austrocknen, Bruder.« Nach einem tiefen Zug dreht er den Becher in der Hand. »Ich hab den Bundschuh geführt, hab geplant, alles war vorbereitet. Und dann dieser Pfaffe … Aber ich habe nie aufgegeben, nur gewartet.«
Er trinkt und lässt sich nachschenken. »Inzwischen haben die Herren vergessen, wiegen sich wieder in Sicherheit. Ich denk, jetzt ist die Zeit reif, erneut loszuschlagen. Nur müssen wir uns noch besser vorbereiten.« Feuer entfacht sich in den Augen. »Und der Kampf soll an vielen Orten gleichzeitig losgehen. Davon träume ich. Du, Geißenpeter, nimmst mit deinen Leuten erst Schorndorf, dann zieht ihr weiter nach Stuttgart. Und ich nehm Freiburg und dann ganz Baden.« Joß Fritz springt auf. »Und dann höre ich die Trommeln unserer Bauernheere am Neckar, am Main und am Rhein … Und lauter werden sie, immer lauter, damit wir das Wimmern, das Geschrei der Pfaffen und feinen Herren nicht mehr hören …«
Er bricht ab, für einen Moment atemlos steht Joß breitbeinig da, wieder ruhiger schlägt er vor: »Jeder Geheimbund sollte Männer anwerben, für ausreichend Waffen sorgen. Vor allem sollten wir, du und ich, in Verbindung bleiben. Und nur ganz wenige dürfen in den großen Plan eingeweiht sein, die andern erfahren ihn, kurz bevor wir losschlagen. So viel Eile wie möglich, aber mit Geduld wie nötig. Dann sind wir – nicht morgen, auch nicht übermorgen –, doch in ein paar Jahren sind wir dann wirklich stark genug.« Er streckt dem Anführer des Armen Konrad die Hand hin. »Schlag ein, Bruder.«
Und Peter Geiß zögert nicht.
Rom
Papst Julius II. ist müde. Lange, zermürbende Kriege und die Ermordung seines geliebten Günstlings haben den großen, starken Mann gebeugt; mehr noch, abtrünnige Kardinäle fordern, dass er sich vor einem allgemeinen Konzil verantworten soll; dazu quält ihn die Gicht, und als wäre dies alles nicht schon genug, wird er von Fieberwellen geschüttelt, hervorgerufen durch die Franzosenkrankeit, diese heimtückische Lustseuche.
Im Juni 1511 kehrt
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