Riemenschneider
sie langsam den Kopf.
»Hoheit?« Der Berater runzelt die Stirn. »Eine schlechte Nachricht?«
»Ich weiß es noch nicht.« Sie blickt den jungen Karl an. »Nur eines weiß ich jetzt schon. Lieber, lieber Neffe, wenn ich diese Zeilen lese, scheint es mir äußerst angeraten, dass deine Lehrer dich tüchtig herannehmen. Nur so wird dein Verstand stets deine Fantasie im Zaume halten können.« Sie erhebt sich und bittet den Baron, bei den Kindern zu bleiben. »Ich muss einige Schritte gehen und mir den Brief selbst vorlesen, damit ich den Sinn auch wirklich erfasse.«
Außer Hörweite sucht Margarethe die erschreckende Stelle und flüstert Zeile für Zeile vor sich hin: » … und Wir erachten es durchaus nicht für gut, Uns zu einer Ehe zu entschließen, sondern haben erwogen und sind festen Willens, nie mehr ein nacktes Weib zu berühren. Wir senden morgen den Bischof Gurk nach Rom zum Papste, um einen Weg zu einem Übereinkommen mit ihm zu finden, damit er Uns zum Koadjutor ernennt, zum Priester weiht und nach und nach heiligspricht, damit Ihr, geliebte Tochter, mir dann die Ehre der Devotion erweisen müsst, worauf ich mir nicht wenig einbilden werde …« Margarethe wappnet sich, ehe sie die Unterschrift ganz lesen kann. »Euer guter Vater Maximilian … künftiger Papst.«
Aus tiefstem Herzen seufzt die Kaisertochter: »Großer Gott, bewahre uns!« Bekümmert presst sie das Blatt an ihr Herz. »Ach, Vater. So viele Pläne hast du geschmiedet, und oft habe ich entgegen aller Vernunft nur deinetwegen um deren Erfüllung gebetet. Für dieses Vorhaben aber werde ich nicht bitten, nicht eine Kerze anzünden.« Die Falten um den Mund werden schärfer. »Nein, geliebter Vater, ich werde sogar meinen ehemaligen Schwiegervater informieren. Seinem strengen Einfluss kannst du dich schwer entziehen. Nicht umsonst wird König Ferdinand von Spanien der sehr katholische genannt.«
Mühlhausen, Dorf im oberen Tal
Els stellt Becher und einen Krug Holundersaft auf den Küchentisch. »Trinkt nur! Wenn es so heiß ist wie heute, löscht der am besten den Durst.«
Vorsichtig schenkt Katharina ein, kein Tropfen der Köstlichkeit darf vergeudet werden. »Ich bin noch ganz außer Atem. Weißt du, Florian macht so große Schritte, dass ich oft nebenher laufen muss.« Sie schiebt ihm den Becher hin und plappert weiter. »Aber das macht er nur, weil er mich ärgern will.«
Els betrachtet die Zwölfjährige. »So wütend scheinst du mir aber nicht zu sein.«
Zwei dicke Zöpfe rahmen das gerötete Gesicht, deutlich drücken sich die spitzen Brüste durchs Kittelkeid. »Nein, nein, Tante. Er meint es ja nicht böse.« Schon seit dem ersten Besuch im oberen Tal wird Magdalenas Schwägerin auch von den Kindern des Bildschnitzers einfach Tante genannt.
Florian trinkt, beim Absetzen verzieht er das Gesicht und säubert mit Zeige- und Mittelfinger übergründlich den dunklen Flaum auf der Oberlippe. »Saft ist nichts für Männer. Wein wäre mir lieber.«
»Siehst du, Tante. Jetzt will er mit dir zanken.«
Els winkt ab. »Wenn er das als Bub versucht hat, dann gab’s was hinter die Ohren. Und meine Hand rutscht auch heute noch genauso schnell aus, ganz gleich, wie groß der Kerl geworden ist.« Sie stellt sich hinter ihn und wuschelt ihm durch die dunklen Locken. »Na habe ich recht? Du weißt genau, dass ich nicht so weich bin wie deine Mutter. Mich kannst du nicht so einfach um den Finger wickeln.«
»Schon möglich.« Florian lächelt zu ihr hoch, seine Zähne blinken. »Aber ein Versuch schadet nicht.« Nur ein kurzer Griff, und er hat einen Lederbeutel aus dem Gürtel gezückt. »Ich bringe Geld.«
Nun knufft ihn die Bäuerin. »Hör auf zu prahlen! Es ist nicht deins.« Sie setzt sich an den Tisch. »Und doch bin ich froh, dass auch die neue Frau von deinem Herrn direkt bei uns kauft.«
Dank Magdalena darf der Schwager Balthasar den Hof Wolfmannsziechlein seit Jahren schon mit Obst und Gemüse beliefern. Und dies stets zu einem guten, gerechten Preis. Weil Meister Til um die Not der Bauern weiß, hat er großzügig bestimmt, dass ein Teil des Geldes schon während der Ernte gezahlt wird. Meist nutzt Magdalena die Gelegenheit zu einem Besuch und überbringt selbst das Geld, in diesem Jahr aber hat sie ihren Sohn mit Katharina hinauf ins obere Tal geschickt. Weil Florian sich für keine Lehrstelle begeistern konnte und die Mutter, wie stets, nicht genügend Strenge aufbrachte, ihren Prinzen zu zwingen, hatte Rupert wenigstens erreicht, dass
Weitere Kostenlose Bücher