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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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der junge Mann sein Gehilfe auf dem Hof Wolfmannsziechlein wurde und nun täglich mit ihm dort zur Arbeit erscheint. Nur zu gerne erledigt Florian die Botendienste für Meister Til, jedes Mal bleibt er lange fort und nutzt die Gelegenheit, in der Stadt herumzuschlendern.
Die Wanderung heute hinauf ins obere Tal genießt Florian wie einen Festtag. Großzügig lässt der Geldbote neun Schillinge auf den Tisch klimpern. »Den Rest soll sich der Onkel dann selbst erfragen.«
»Dieser Sommer ist gut fürs Wachsen.« Während Els die Münzen einsammelt, blickt Katharina verwundert auf den Freund, die Bäuerin hat es nicht bemerkt. »Ihr bleibt zum Essen. Es gibt Weißkohl mit frischem Salbei, Speck und Knoblauch. Du kannst mir helfen, Kindchen, und Zwiebeln schneiden.«
Florian schüttelt den Kopf. »Nicht, Tante, bitte. Ich wollte ihr das Haus vom Vater zeigen. Das hab ich Mutter versprochen.«
»Wenn du’s versprochen hast, meinetwegen. Aber seid rechtzeitig zurück. Und gebt auf die Ratten acht, die wohnen nämlich jetzt da.«
Erst außer Sichtweite vom Küchenfenster berührt Katharina den Arm des Achtzehnjährigen. »Warum nur neun? Magdalena hat dir doch zehn mitgegeben.« Besorgt runzelt sie die Stirn. »Haben wir einen Schilling unterwegs verloren?«
»So werden wir es erklären, wenn Mutter nachfragt.« Kein Erschrecken, kein ertapptes Zögern. Er schnappt neben sich nach dem Haarzopf und schwingt ihn vergnügt hin und her. »Meine Kathi ist ein kluges Mädchen.«
»Sag doch!«
Er pustet ihr ins Ohr, dann raunt er wie ein Verschwörer. »Wegegeld. Wir sind Boten eines reichen Fürsten. Und Boten bekommen einen Lohn. Und zwar einen schönen Schilling.«
»Wieso Fürst? Wer ist das denn?«
»Fürst Riemenschneider von der Burg Wolfmannsziechlein.«
Im ersten Moment will Katharina lachen, zieht aber dann den Zopf aus seiner Hand und schlägt damit nach ihm. »Du machst dich lustig über mich.«
»Nur ein bisschen.« Florian spuckt im hohen Bogen bis zur anderen Seite der Fahrstraße. »Der Schilling ist ehrlich verdient. Und wenn du’s genau wissen willst: Den spare ich für uns.«
Sie sieht zu ihm auf. »Wirklich?«
»Deshalb red mit niemandem darüber. Sonst kann ich dich das nächste Mal nicht mehr mitnehmen.«
»Doch, bitte!« Sie sucht seine Hand. »Ich kann sehr gut schweigen.«
Das Bauernhaus ist an einer Seite mit Brombeerranken überwuchert. Brennnesseln ragen bis zu den Fenstern. Bei ihrer Ankunft flattert eine Wolke von Schmetterlingen auf. Katharina reckt dem bunten Spiel die Hände nach. Stille. Kein Lufthauch. Im engen Hof hinter dem Haus flirrt die Hitze. Das Scheunentor ist halb aus den Angeln gebrochen. »Hier also hat Magdalena gewohnt?«
»Mit dem Vater.« Florian stößt schwer den Atem aus und beschattet die Augen. »Aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen.« Durch den Spalt der Finger beobachtet er ihr Gesicht, als sie ihn besorgt anschaut, setzt er hinzu: »Vielleicht später. Erst mal kühlen wir uns im Bach etwas ab. Na, komm!« Er läuft schon voraus, unter den Bäumen lässt er sich von Katharina einholen, sie werfen die Schnürsandalen ab und waten nebeneinander ins knietiefe Wasser.
»Unsere Kittel?«
»Die trocknen schon wieder.« In der Bachmitte hebt Florian das Mädchen auf beide Arme, der Held beachtet die halb ernste Gegenwehr seiner Schönen nicht und lässt sie ins Wasser fallen. Prustend und schimpfend rappelt sich Katharina wieder hoch und spritzt ihn nass. »Meine Haare. Und das Kleid.« Eng klebt ihr der Stoff an Bauch und Po, an den kleinen Brüsten. Florian lacht und tippt mit dem Finger gegen die Knospen. »Gewachsen sind sie schon wieder. Jede Woche werden die ein bisschen dicker.«
»Schäm dich!«
»Ach was.« Er räuspert sich und zeigt zum Bauernhaus. »Wir gehen rüber. Da sieht uns keiner. Bis die Sachen trocken sind, erzähl ich dir von Vater.«
Die Haustür lässt sich leicht aufdrücken. Unkraut wuchert aus dem Küchenboden, doch Tisch und Hocker stehen noch geordnet da, Holznäpfe reihen sich im Wandregal … Zeichen eines Lebens, vor langer Zeit zurückgelassen und vergessen.
»Ich mach es uns bequem.« Florian findet nebenan einen strohgestopften Sack, rüttelt ihn; da keine Ratte flüchtet, breitet er die Unterlage in der Küche aus. »Wenn du willst, kannst du dein Kleid ans Regal hängen.« Verwirrt öffnet sie den Mund, weiß nichts zu erwidern. Er hebt die Hand. »Ich mein ja nur, damit es nicht so verknautscht. Und außerdem wollte ich dich ja …

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