Riemenschneider
es am Lederband als Halsschmuck zu tragen. Magdalena nimmt das Schnitzwerk heraus. Nicht nur ein Kreuz. Ihre Fingerkuppe streicht über den sorgsam herausgearbeiteten Erlöser. Auf der Rückseite spürt sie eine Inschrift und liest »Eva«. »Von ihm für mich. Nur für mich.« Sie drückt ihre Lippen auf das Geschenk.
Als die Tür sich öffnet, hebt sie erschrocken den Kopf und verbirgt das Kleinod in ihrem Schoß. Rupert steht da, stumm, mit ratlosem Blick.
»Bitte schieb den Riegel vor!« Während er sich zur Tür umwendet, legt Magdalena das Kreuz zurück und verschließt das Kästchen. »Entschuldige, Lieber. Ich bin eine schlechte Braut, weil …«
»Nein, nein. Du bist gut, viel zu gut … Ich mein, für mich.«
»Nein, ich meine, weil die Braut doch schon im Bett liegen soll, wenn der Bräutigam kommt.«
»Ach nein. Das stört nicht …« Weiter weiß Rupert nicht. Er schlenkert mit den Armen, schließlich deutet er zum Fenster. »Auf dem Sims, da steht ein Fässchen mit Klaret. Und Becher sind auch da. Das hat der Herr für uns hinstellen lassen. Weil es noch kalt ist im März, sagt er vorhin zu mir. Soll ich?«
Seine aufgeregte Verlegenheit rührt Magdalena. »Gerne. Ein Schluck wird uns guttun.«
Süß und bitter, der mit Gewürzen und Honig versetzte Wein wärmt ihm die Zunge. »Ich hab sowieso gedacht, du hast deinen Mann gehabt, ich hab die Frau und die Mädchen gehabt. Das große Glück jetzt lernt sich nicht so schnell …« Handeln fällt ihm leichter, und rasch geht er zum Bett, zieht die untere Matratze heraus. »Ich leg mich einfach so hin.« Sorgsam glättet er für sie das verrutschte Laken und deutet aufs Federbett. »Da drunter friert es dich bestimmt nicht.«
Magdalena nickt und schaut vor sich hin. Um die Stille nicht größer werden zu lassen, bittet sie ihn, noch einmal vom Klaret einzuschenken. »Es war ein schönes Hochzeitsfest.«
»Ja, wirklich.« Beide trinken, und als sie die Becher absetzen, stoßen die Ränder gegeneinander. »Das wollt ich nicht«, entschuldigt sich Rupert und rückt sein Gefäß ein Stück zur Seite.
Magdalena sieht zum Brauthemd auf dem Hocker hinüber. Ich werde es anziehen, und zwar jetzt. Sonst sitzen wir hier noch die ganze Nacht. Halb ist sie schon aufgestanden, als der nächste Gedanke den Schwung erlahmen lässt. O verflucht, vorher muss ich ja das Hochzeitskleid ablegen.
Er ahnt den Grund für ihr Zögern. »Nicht schlimm«, und dreht sich weg, »ich guck zum Fenster.«
Magdalena spürt die Röte ins Gesicht flammen. Schäm dich, beschimpft sie sich selbst, während ihre Finger rasch die Schleifen lösen, du zierst dich wie eine Jungfrau. Schließlich ist er dein Ehemann. Doch was nutzt die Einsicht?
Unbeholfen versucht sie zu erklären: »Es ist schon so lange her …« Das Kleid sinkt zu Boden, schnell streift Magdalena auch das Unterzeug ab, für einen Augenblick ist sie nackt, erst als das schlichte weiße Leinenhemd ihre Blöße bedeckt, setzt sie hinzu: »Ich mein, dass mich ein Mann … dass er dabei ist, wenn ich schlafen gehe.«
»Nicht schlimm.«
»Sag das nicht immer, bitte. Sonst schäme ich mich wirklich.« Wie eine feste Burg fühlt sie das Federbett über sich. »Du kannst dich jetzt auch hinlegen.«
Rupert steht unschlüssig vor ihrem Lager. »Darf ich …?«
O Heilige Jungfrau. Magdalena presst den Rücken in die Matratze.
Er ringt mit sich und wagt weiterzusprechen: »Das Hochzeitskleid. Darf ich mich mit dem zudecken? Weil es sicher nach dir riecht, und das wärmt mich schon genug.«
Die Braut muss nach seiner Hand fassen, drückt sie fest und vermag nur zu nicken.
Magdalena schläft nicht. Lange schon schweigt unten das Fest, auch im Haus ist Stille eingekehrt. Sie hört Ruperts Atem vor ihrem Bett, hin und wieder raschelt der Stoff des Kleides. Auch er kann nicht einschlafen. Ich habe einen guten Mann bekommen. Und du? Was kann Rupert dafür, dass ich traurig bin? Magdalena dreht sich zur Wand. Ehe neue Gedanken neue Entschuldigungen finden, fragt sie in die Dunkelheit: »Lieber?« Sie hört, wie Rupert sich aufsetzt. »Mir ist kalt. Komm und wärme mich!«
Behutsam hebt er das Federbett an und schlüpft hinein. Magdalena bleibt zur Wand gedreht. Seine Hand berührt ihre Schulter, sie lässt es zu, dass er sich ganz an sie drückt, dass er die Brüste streichelt, ihre Haut. Sie weiß, dass er seine Kleider abstreift. Magdalena sträubt sich nicht gegen das Drängen, spürt an ihrem Nacken den hastigen Atem; so auf der Seite liegend,
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