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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Katharina an ihr vorbeigeht, streichelt sie die Wange des Mädchens. »Und? Hast du Angst vor diesen Biestern gehabt?«
Kopfschütteln, viel zu heftig, Katharina wagt die Bäuerin nicht anzusehen, beugt sich über den Tisch und verteilt die Löffel.
Gleich kommt Florian zu Hilfe. »Aber, Tante, davor fürchtet sich Kathi nicht. Ich hab ihr gesagt, dass Ratten nie Menschen angreifen. Und gesehen haben wir ohnehin keine.«
Els starrt auf die Kniekehlen des Mädchens. »So ist das also«, sagt sie seltsam ruhig. »Ratten tun den Menschen nichts, sagst du.« Langsam tritt sie hinter Katharina. Erst ein Streicheln, dann drückt sie die Hand fest in den Nacken. »Bleib so, Kind!«, befiehlt sie und hebt mit der anderen den Kittelstoff bis zum Po. Blut verschmiert die Oberschenkel, angetrocknete Rinnsale ziehen sich tiefer. »Und wenn das keine Ratte war, du verdammt gescheiter Kerl, dann sag mir, wer hat die Kleine gebissen? Wer?«
Ihre Beherrschung zerbricht. Wie eine Rächerin stürzt sich Els auf den Sohn ihrer Schwägerin. »Du verfluchter Köter!« Sie ohrfeigt ihn immer wieder. »Was hast du getan? Entehrt! Geschändet! O Heilige Jungfrau, warum hast du zugelassen, dass dieser Faulpelz … dieser verdammte Hurenbock sich an dem Kind vergreift?« Els lässt von ihm ab und ringt die Hände. »Ein Unglück. Was für ein Unglück.«
Ohne jede Gegenwehr hat Florian den Zornausbruch über sich ergehen lassen, jetzt wagt er die Schultern zu heben. »Was soll denn schon schlimm dabei sein? Wir …«
Erneut geht Els auf ihn los und schlägt ihm ins Gesicht. »Das fragst du? Bringt Schande über die Tochter seines Herrn, stürzt womöglich die eigene Mutter zurück ins Elend …«
»Hör auf! Wir lieben uns!«, schreit Katharina. »Hör auf! Du tust ihm doch weh.«
Wie nach einem Hieb lässt die Bäuerin den Arm sinken. »Was sagst du da? Du hast das gewollt?« Schon fährt sie herum und zerrt Katharina an den Zöpfen. »Sag, dass es nicht wahr ist. Sag es!«
Ein weher Blick zum Liebsten voller Schmerz und Versprechen, dann nickt Katharina. Die Tante lässt sich auf den Stuhl sinken. »Ich kann’s nicht glauben. Einfach nicht glauben. Wisst ihr, was ihr getan habt? Euer schönes Leben habt ihr einfach so in die Gosse geworfen.«
Florian wagt sich einige Schritte näher. »Aber, Tante …«
»Halt deinen hübschen, dummen Mund.« Der Finger deutet auf das Mädchen. »Keine Jungfrau … Wer will sie denn später noch?«
»Ich werde Kathi heiraten.«
Ein bitteres Lachen. »Du Narr, glaubst du wirklich, der berühmte Bildschnitzer und Stadtrat Tilman Riemenschneider gibt seine Tochter dem Sohn einer Magd?«
»Aber ich will ihn.« Katharina stellt sich neben den Liebsten.
»Dich fragt keiner. Dein Vater wird einen vornehmen, reichen Mann für dich aussuchen wollen. Wie es sich gehört.« Els schüttelt langsam den Kopf. »Wenn Meister Til erfährt, dass du keine Unschuld mehr hast, dann steckt er dich ins Kloster. Und du …« Sie blickt zu Florian hoch. »Deine Stellung als Hausgehilfe bist du los. Wenn du Glück hast, lässt Meister Til dich nicht ins Loch sperren, sondern jagt dich nur vom Hof Wolfmannsziechlein und aus der Stadt. Womöglich jagt er deine Mutter und Rupert gleich hinterher. Ganz zu schweigen davon, dass mein Balthasar auch kein Gemüse oder Obst mehr liefern darf. Begreift ihr endlich, welches Unglück nun über uns alle kommt?«
»Und wenn wir nichts verraten?«, flüstert Katharina. »Bitte, Tante. Niemand braucht doch davon zu wissen, dann gibt’s auch kein Unglück.«
»Nie hab ich die Schwägerin belogen.« Erst nach einer Weile erhebt sich die Bäuerin. »Aber es muss wohl sein.« Beißender Geruch steigt von der Herdstelle auf. »Und mein Kohl ist auch verbrannt. Was für ein elender Tag heute.«
Lichtung nahe Freiburg

»Wir wollen frei sein! Frei von den Mächtigen und Pfaffen, die uns mit Zehnten, Zins und Zinseszins bedrücken!« Längst ist das Feuer übergesprungen. Begeisterung flammt in den Augen der Bauern.
»Frei sollen unsere Dörfer sein von fremden Richtern!«
Fäuste recken sich.
»Frei sollen wieder Wald und Fluss sein. Wir wollen Holz schlagen, fischen und jagen! Wann, wo und sooft wir wollen!«
»So ist es! So ist es!« Die Männer können nicht länger ruhig stehen. Enger scharen sie sich um den Mann aus dem benachbarten Lehen.
»Wir armen Menschen …« Die Stimme schwingt sich in die Herzen, trägt sie hinauf zum Höhepunkt der Rede. »Wir armen Menschen wollen wieder teilhaben an

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