Riemenschneider
einzukaufen. Jetzt stapelten sich die Säcke mit Hirse, Bohnen, Erbsen und Mehl neben Zwiebelkisten und Körben mit Sellerie und Möhren auf dem Leiterwagen. Die Mädchen hatten erst schwer tragen müssen und sich dann rechts und links der Handdeichsel mit vereinten Kräften in die Lederschlaufen gestemmt. Alle Plackerei aber war vergessen, als ihnen die Erste Magd den Umweg an der Gewürzbude vorschlug.
Die Honigmandeln waren verschlungen, die zuckrigen Finger gründlich abgelutscht, und Magdalena wies auf den Leiterwagen. »Und nun wieder ins Geschirr mit euch …«
»Hast du Zeit?« Beim Klang der leisen Stimme erschrak sie und wandte sich um. Katharina stand vor ihr, dunkel gerändert die Augen, so blass und schmal das Gesicht. »Bitte. Nur etwas Zeit: zum Reden.«
»Aber gewiss doch. Wir sind gerade auf dem Rückweg.«
»Nein, nicht zu Hause. Da, wo uns keiner hört. Bitte!«
O Heilige Jungfrau, flehte Magdalena stumm, lass sie nicht schwanger sein. »Warte, Kind.« Rasch bat sie die Mädchen, den Wagen allein in die Franziskanergasse zu ziehen. »Sagt Rupert, er soll die Säcke in den Vorratsraum schaffen. Das Gemüse bringt ihr in die Küche. Und jetzt trödelt nicht.«
Sie lächelte Katharina zu. »Wie wäre es zuerst mit einer Handvoll Honigmandeln?«
»Danke. Ich hab keinen Hunger, jetzt nicht.«
Magdalena strich ihr aufmunternd über den Oberarm. »Na, dann komm. Ich weiß, wo es ruhig ist.«
Links vom Neumünster gingen sie eng nebeneinander durch die Gasse hinauf in Richtung Rennwegtor. Katharina schwieg. Unauffällig beobachtete Magdalena ihr Gesicht. So streng der Mund? So weit weg der Blick? Was geht nur in dir vor?
»Lass uns zum Katzenwickerhof rüber.« Kaum ein Bürger verirrte sich in die Nähe des bischöflichen Anwesens. Eingefriedet von einer hohen, abweisenden Mauer reichte der Besitz mit Gebäuden und großem Freiplatz bis hin zur Turmanlage, die schon zum Mauergürtel der Stadt gehörte. Abgesehen von den Mitgliedern des Rates, Viertelmeistern und Domherren mieden die Würzburger, wenn möglich, den Hof zum Katzenwicker. Hier musste jedem neuen Bischof der Treueid geleistet werden, von hier kamen Befehle, Vorschriften, Gesetze … Und wer liebt schon den Ort, an dem die Freiheit stetig etwas mehr eingeschnürt und geknebelt wird?
Magdalena zog Katharina in den Mauerschatten des hohen Turms, und beide setzten sich nebeneinander auf einen Stein. »Allein würde ich mich am Abend nicht hertrauen.« Sie wartete vergeblich auf eine Reaktion. »Aber jetzt ist der Platz gerade gut. Oder?« Sanft tippte sie der jungen Frau auf die Schulter. »He, einverstanden?«
Katharina griff nach einem Zopf und nickte.
»So schwer? Aber, Kleines, was ist denn geschehen?«
Die Tochter des Bildschnitzers atmete tief und pustete die Luft aus den geblähten Wangen. Der Entschluss war gefasst, der Blick sagte: Auf Gedeih oder Verderb, ganz gleich, es muss heraus. »Ich wollte fragen … Jetzt, da doch alles anders ist.« Noch ein Atemholen. »Würdest du mir den Florian zum Mann geben? Ich mein, so richtig als Ehemann. Würdest du das erlauben?«
»Was?« Magdalena schlug die Fingerkuppen vor den Mund, nach dem ersten Schreck sagte sie vorsichtig: »Das ist wirklich etwas völlig anderes. Sogar andersherum: Nicht der Mann fragt den Vater nach der Tochter, sondern …« »Das hab ich damit nicht gemeint.« Katharina ballte die Faust um den Zopf. »Seit die Stiefmutter tot ist, wird doch jetzt alles wieder besser. Vielleicht endlich auch für mich. Und da wollte ich erst mal von dir wissen, ob du’s erlaubst?«
Keine Laune eines heiratsfähigen Mädchens, Magdalena hörte die Not aus den Worten. Armes Kind, dachte sie, so allein bist du. Da kämpfst du für dein Glück und suchst jemanden, der dich unterstützt. »Du wärst die beste Frau, die eine Schwiegermutter sich wünschen kann …«
»Also ja?«
Magdalena schüttelte unmerklich den Kopf.
»Warum denn nicht?«
»Als Mutter fällt es mir schwer, das zu sagen, aber es ist nun mal wahr: Du bist zu schade für meinen Sohn.«
»Sag das nicht so!« In den hellen Augen kam Sturm auf. »Woher willst du das so genau wissen? Zu schade? Verflucht, das hast du mir letztes Jahr auch schon gesagt. Aber ich liebe Florian. Und im Herzen ist er ein guter Mensch.«
»Ich weiß.« Wehmütig sah Magdalena den kleinen Sohn wieder vor sich, die langen seidigen Wimpern, und hörte wieder: »Wenn ich groß bin, Mama, werde ich Ritter und heirate dich.« Ach, Junge, Ritter bist du
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