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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Federquäler Sinterius je im Stich gelassen?«
Kopfschütteln. »Aber dafür oft genug in Gefahr gebracht …Verzeiht, Herr. Schlagt mich nicht! Das werden die Bündischen noch früh genug tun.«
»Herrgott, verflucht! Wir sind wie die Maus in der Falle. Da …« Er zeigt zum Kirchturm gleich vor dem Burgtor. Oben aus der Glockenstube ragt ein Geschützrohr. »Das verdammte Ding zielt direkt auf uns.«
Ehe es zur gewaltsamen Erstürmung der Stadt Möckmühl kommen konnte, hatten die Bürger vor einigen Tagen den Truppen des schwäbischen Bundes freiwillig das Tor geöffnet. Allein der herzogliche Amtmann Götz von Berlichingen hatte sich mit seinen Mannen im Schloss verschanzt und leistete Widerstand. Drei Tage lang waren zwischen Bürgern, vereint mit den Söldnern des Bundes, und den Eingeschlossenen immer wieder heftige Gefechte ausgebrochen. Seit gestern schweigen die Flinten und Hakenbüchsen, dafür aber bedroht nun der Schlund des großen Geschützes den Sitz des ritterlichen Amtmanns.
»Wir sind am Ende …« Götz wischt mit dem nackten Armstumpf den verschwitzen Hals.
Die Nahrungsvorräte sind aufgebraucht. Vor allem fehlt das Wasser. Wohl gibt es noch etliche Fässer Wein, und so müssen Mensch und Pferde ihren Durst mit kühlem Weißen löschen. Aus dem Stall dringt übermütiges Wiehern, und auch die Schlossbesatzung lebt im berauschten Auf und Ab: Mal will der Mut alle Feinde in den Boden stampfen, dann wieder zieht die Angst in tiefe Erdhöhlen hinab, durch die sich nur ein Wurm retten könnte.
Götz packt den Knappen am Genick und presst eines der großen Ohren an seine Brust. »Hörst du’s, Junge, wie es schlägt? Mein Herz, es ist einfach zu gut für diese Zeit. Sonst würd ich jetzt nicht auf der falschen Seite stehen. Als der schwäbische Bund gegen Herzog Ulrich rüstete, da hätte ich schon kaiserlich werden sollen. Mein Freund Franz, ja, der große Hauptmann Franz von Sickingen, der hätte mich mit Freuden empfangen.« Die Stimme sinkt ins Weltkummerbad. »Aber ein Treueid bindet. Er gilt mehr als die Vernunft. Und dann, o verflucht, reitet der Herzog in seinem Übermut gegen Reutlingen und nimmt die Stadt ein. Da musste ja das Fass überlaufen: Der Bund hat Herzog Ulrich mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt und hat inzwischen alle Festungen erobert. Bis auf …« Götz biegt den Kopf des Knappen zurück und sieht ihn durch einen Tränenschleier an. »Bis auf … Na los, sag du es!«
»Bis auf Möckmühl, Herr.«
»So ist es. Der Fürst ist in Sicherheit, aber sein tugendhaftester Ritter harrt als Letzter im umzingelten Gemäuer aus. Doch nun ist auch für ihn die Zeit gekommen.« Ein bitteres Lachen entringt sich der Brust. »Denn morgen sind wir alle vom Wein besoffen, und unsere Gäule fallen über ihre Hufe.«
Neu beseelt reißt Götz das Schwert aus der Scheide, droht mit der Spitze zur Glockenstube hinüber: »Wartet nur, ihr Feiglinge da drüben. Wenn ich zu euch hinaufkomme, dann schlag ich jedem die Hände ab. Dann werdet ihr in Zukunft die Lunte mit dem Maul anstecken müssen.« Zu Thoma gewandt, funkeln die Augen: »Wir wagen den Ausfall. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»Aber, Herr? Habt Ihr das Angebot der Bündischen vergessen? Wir benötigen doch nur eine Lanze und ein weißes Laken …«
Die Ohrfeige wirft den Knappen zur Seite. »Du Wurm. Ich sollden Schwanz einziehen? Ein Ritter Gottfried von Berlichingen gibt nie auf.«
»Aber, Herr, wenn es doch klüger ist, dann …«
Schon erhebt sich die Hand wieder.
»Schon gut, Herr. Ich sage nichts mehr.« Thoma geht zum Tisch und füllt einen Becher randvoll mit Wein. In seiner Not schwappt ihm das Nass über die Hand. »Trinkt, Herr. Das wird Euch guttun.«
Schon will der Ritter annehmen, da bemerkt er die List, und statt zu trinken greift er nach einer der großen Ohrmuscheln und quetscht sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Der Einzige, der hier schlau sein darf, bin ich. Und wir werden heute Abend den Ausfall machen.«
Zu langsam und von den Bündischen erwartet; im Kampf zu schwach und vom Feind aufgerieben. Der 11. Mai 1519 war kein glücklicher Tag für den Amtmann von Möckmühl.
Verletzt und gefangen wird Götz von Berlichingen auf Befehl des bündischen Befehlshabers nach Heilbronn geschafft. Seine beiden Diener sind unverletzt geblieben und dürfen ihn begleiten. Nach drei Wochen Haft im Gasthaus Zur Krone hat die Stichwunde aufgehört zu eitern.
»Niemals werde ich die Urfehde annehmen und beschwören.

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