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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Kardinal Cajetan mit diesem ketzerischen Mönch aus Wittenberg überrumpelt worden. »Seine Heiligkeit Papst Leo wird die Wahl Eures Enkels, König Karl von Spanien, wohlwollend befürworten, wenn Ihr, Majestät, der Kurie Euren Beistand in der Lutherschen Angelegenheit zusichert und ein Reichsgesetz erlasst, das jede notwendige Maßnahme des Heiligen Stuhls gegen den Mönch billigt.« In der Gewissheit, mit dem Angebot nicht auf taube Ohren zu stoßen, setzte der geschickte Diplomat hinzu: »Das gilt auch für alle weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten, die es wagen, eine Gefangennahme oder Auslieferung des Ketzers zu verhindern.«
Der Wagen schlingert über eine vereiste Stelle, im Schmerz seufzt Maximilian auf. »Was also sollte ich anderes tun?«, flüstert er, und Speichel rinnt ihm aus dem tauben Mundwinkel. »Ich musste das Gesetz in Aussicht stellen.« Die Zukunft des Reiches, die Sicherung der Habsburgischen Macht wog für ihn mehr als das Schicksal des aufmüpfigen Augustiners.
»Heim nach Tirol.« Noch in Augsburg hatte Sehnsucht für einen Moment das graubleiche Gesicht erhellt. »Geliebtes Innsbruck, du sollst mein Winterbett werden, in dem ich gesunden kann.«
Seine Hofkapelle war mit den Quartiermachern vorausgeeilt, ihn aber und den kaiserlichen Tross hatte der frühe Wintereinbruch überrascht, und noch langsamer, als die Krankheit es gebot, waren sie vorangekommen.
»Wann?«, erkundigt sich Maximilian, ohne die Lider zu öffnen, bei seinem Leibdiener. Der Baron öffnet das schmale Kutschfenster und gibt die Frage an den Hauptmann der Eskorte weiter.
»Heute noch. Gegen Mittag.«
Die Wolkendecke reißt. Aufkommender Wind bläst den Himmel blau. Sonne flutet durchs Inntal und verwandelt das weite Weiß in ein gleißendes Prachtkleid. Vor den Mauern Innsbrucks verkünden Bläser mit schmetternden Hornstößen die Ankunft des Kaisers. »Seine Majestät Maximilian, der erste dieses Namens, erbittet Einlass in die Stadt.«
Das Tor bleibt verschlossen. Herold und Hornisten sehen sich verwundert an. Erst nach ungebührlich langem Warten treten durch eine schmale Seitenpforte der Bürgermeister und zwei Ratsherren nach draußen. Sie heben die Arme, erklären mit Bedauern und wiederholen sich, als der Herold mit Empörung dagegenspricht. Schließlich schwingt der sich in den Sattel. »Wartet auf Antwort.«
Am Kutschfenster berichtet er seinem Kaiser. »Majestät, bis auf Eure Hofkapelle weigert sich die Stadt, den Tross zu beherbergen. Es sei denn, Eure Majestät würden die Schulden vom letzten und vorletzten Besuch bei den Wirtsleuten begleichen.«
»So also liebt man mich wirklich.« Maximilian rückt mit Hilfe seines Leibdieners näher ans Fenster. »Und Kredit? Schickt meinen Schatzmeister, er soll irgendetwas, was noch mir gehört, beleihen, er soll …«
»Um Vergebung, Majestät, der Versuch scheint zwecklos. Die Stadtoberen lassen ausrichten, Eure Hofkapelle kann sich die Unterkunft durchs Musizieren verdienen, Euch jedoch wird jeder neue Kredit verweigert.«
»Und dass ich ein schwer kranker Mensch bin …?«
Der Herold schweigt, sieht seinen Herrn nur beschämt an.
Maximilian gibt die Antwort selbst: »Es rührt sie nicht. Und wie recht sie haben. Ein Kaiser darf sich liebenswert, mildtätig und verständnisvoll gebärden, doch darf er nicht Mensch sein, schon gar nicht, wenn er mehr Gläubiger als Freunde hat.« Gequält krümmt sich der Kranke, unterdrückte Schreie dringen nach draußen, erst nach einer Weile erscheint das bleiche, schweißnasse Gesicht wieder am Fenster. »Weiter. Sorg dafür, dass mein Schiff bereitliegt! Wenn mein Tirol keinen Platz mehr für mich hat, dann soll Österreich den Kaiser gesund pflegen.«
Maximilian fällt zurück. Schmerzen übermannen ihn. Seufzen, Stöhnen. Noch darf der Sechsspänner nicht weiterfahren. Endlich wirkt die große Menge Laudanum, und endlich lassen die Krämpfe nach. Am frühen Nachmittag öffnet der Leibdiener den Schlag, verlässt mit der Bettpfanne die Kutsche, und im Angesicht der immer noch vor dem Tor ausharrenden Stadtoberen von Innsbruck entleert er den Stuhlgang seines Herrn in den Schnee.
»Aufbruch!« Die Hornisten schmettern das Signal in die kalte Winterluft und manch einem Bürger Innsbrucks dringt die Schande bis ins Herz: »Wir haben unseren kranken geliebten Herrn von der Türschwelle gejagt.«
Vorbei an Kufstein. Der Kaiser fiebert. Bei Passau schwankt das Schiff, der Inn drängt in die Donau, gleichzeitig wälzt sich die Ilz

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