Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
Niemals!« Götz droht mit dem Armstumpf zur Tür. »Und wenn ihr mich nicht gut behandelt, dann werde ich wieder nach meinem lieben Freund Franz schicken, der wird euch lehren, den Haftvertrag einzuhalten.« Erst auf Vermittlung des Feldherrn von Sickingen und seines Hauptmanns Florian Geyer war der Stadtrat bereit gewesen, dem Häftling ein ritterliches Gefängnis zu gewähren und diese Zusage schriftlich im Beisein von Zeugen zu beeiden. So darf seine Gemahlin Dorothea bei ihm aus und ein gehen, ihn zum Kirchgang begleiten und auch in der Nacht das Bett anwärmen.
»Thoma, du bringst meine Eisenhand zum Schmied. Er soll die Scharniere ölen und den Schnappmechanismus überprüfen. Nein, halt. Erst sagst du diesem Dietz Wagemann, diesem Scharlatan von Wirt, wenn sich das Essen nicht bessert, dann werd ich ihm mit dem Kochlöffel im Arsch rumrühren.«
Der Finger deutet auf Sinterius: »Jetzt zu dir. Wir schreiben einen Brief an den gnädigen Herrn, Herzog Ulrich. Schließlich muss er von meinem Unglück wissen, vor allem, mit welchem Heldenmut ich ihm die Treue gehalten habe. Verstehst du?«
Der Sekretär spitzt schon die Feder. »Ihr denkt an ein herzanrührendes Schreiben. Euer selbstloses Aufopfern soll später bei der Rückkehr des Herzogs von diesem entlohnt werden. Ein …«, Sinterius hüstelt vergnügt. »Mit Verlaub, Herr, dieses Schreiben soll quasi als Schatullenöffner dienen.«
Götz benötigt eine Weile, dann glättet sich die Stirn. »So ist es. Du hast viel von mir gelernt.«
Würzburg

Ein ungewöhnlicher Besuch. Immer wieder sieht Til den Freund verstohlen von der Seite an. Was hat ihn hergeführt? Es ist Freitagnachmittag. Vor wenigen Stunden haben wir uns noch im Rathaus gesehen und gesprochen, da hat er mit keinem Wort angedeutet, dass er mich in der Werkstatt aufsuchen will. Martin Cronthal nickt den Gesellen zu und betrachtet das Grabmal von Fürstbischof Lorenz. »Wann wird es vollendet sein?«
Sofort steht eine steile Falte auf der Stirn des Meisters. »Gewand und Krummstab werde ich in einigen Monaten fertigstellen. Dieses neumodische Beiwerk hält auf. Hier zum Beispiel, es hätte durchaus genügt, wenn die Säulen rechts und links nur den Baldachin tragen würden. Aber nun müssen noch zwei Statuetten dazu …« Mit einem Handschlenker bricht der Meister die Erklärung ab. »Ich denke in zwei Jahren. Warum fragst du?«
»Du bist spät, lieber Freund.«
Ob nun sanft gemahnt oder ärgerlich laut vorgebracht, der ewige Vorwurf, zu spät abzuliefern, bedrängt, und kaum noch vermag der Meister neue Entschuldigungen zu erfinden: »Falls dich die Herren vom Domkapitel geschickt haben, so bestell ihnen, dass sie mir noch Geld schulden. Ich habe die letzten Arbeiten am Hochaltar für den Dom abgeschlossen. Und die Herren schulden mir noch 40 Gulden. Du siehst, nicht nur ich bin zu spät …«
»Verzeih, ich wollte dich nicht aufbringen. Doch wenn ich einen Rat geben darf.« Der Stadtschreiber blickt sich nach den Gesellen um, tritt näher und senkt die Stimme. »Auf dieser Zahlung solltest du zurzeit besser nicht bestehen. Und zwar aus gutem Grund.«
Ohne weitere Erklärung beugt sich Martin rasch wieder über den Bischof. »Wenn ich es genau bedenke …« Betont laut wechselt er das Thema: » … so ist seine Regentschaft wirklich zu loben. Wir schreiben jetzt den April 1520, und unser neuer Herr, Fürstbischof Konrad von Thüngen, hat in dem knappen Jahr seit seiner Wahl schon mehr Aufrüstung befohlen als der Vorgänger in seiner ganzen Regierungszeit.«
Til kratzt sich die Brauen. »Aus gutem Grund? Was meinst du damit?
Ernst sieht der schmächtige Mann zu ihm hoch. »Wir müssen miteinander reden.« Er deutet kurz zu den Werkbänken hinüber. »Nicht vor aller Ohren. Ich bin gekommen, um dich abzuholen. Gehen wir in meine Amtsstube, da sind wir ungestört.
Das sonderbare Verhalten des Stadtschreibers beunruhigt Til. »Ist etwas geschehen?
»Noch nicht …« Die Augen hinter den Brillengläsern werden für einen Moment größer, doch zu lesen vermag Til aus ihnen nichts. Til kratzt sich die Brauen Im Rathaus führt eine schmale Stiege vom ersten Stock weiter hinauf zur Giebelstube. Drei Schlösser sichern die Tür. Der Stadtschreiber bittet den Gast in sein Heiligtum. Auf dem Schreibpult inmitten des Raums liegt offen das große Protokollbuch. Ein Tintenfass steht bereit, daneben reihen sich etliche Federkiele. Es riecht nach Staub und Holzschimmel.
»Außer Wein kann ich dir hier oben

Weitere Kostenlose Bücher