Riemenschneider
ist es mir zu eng geworden.«
»Den Spott habe ich wohl verdient.« Mit einem Mal entschlossen, deutet er mit dem Finger in Richtung Tor. »Ich muss rechtzeitig einen Riegel vorschieben. Ehe Margarethe unser ganzes Vermögen nach Ochsenfurt trägt, werde ich einen Großteil an die Kinder verteilen, als Vorgriff auf das Erbe. Der Zeitpunkt ist ohnehin gut gewählt, weil Jörg heiraten wird und als zweiter Meister mit in die Werkstatt kommt. Und du sollst den Anteil von Katharina verwalten. Da weiß ich ihn für die jungen Leute sicher untergebracht.« Til legt ihr behutsam die Hand auf die Schulter. »Großzügig? Wenn ich es bedenke, so schäme ich mich. Möchtest du ein Geschenk?« Magdalena lächelt leise. »Nein, Herr. Ihr wisst, was ich mir wünsche.«
Burg Hornberg
In der Eingangshalle starrt Götz von Berlichingen den Boten an. »Tot? Franz ist tot, sagst du?«
»Ich … Es war schwer für ihn.«
»Mein bester Freund.« Helle Tränen stehen in den Augen des Ritters. »O Gott, warum?« Vergessen sind die täglichen Flüche auf die Stadtoberen von Heilbronn, auf die Herren vom Schwäbischen Bund. Nach dreieinhalb Jahren ritterlicher Haft im Gasthaus Krone war die Enge dort Frau Dorothea nun doch zu unbequem gewesen, und sie konnte im letzten Herbst ihren Unbeugsamen mit sanftem, doch beharrlichem Druck dazu bewegen, Urfehde zu schwören und die verlangten 2000 Gulden als Sühne zu bezahlen. Den Winter über schnaubte und tobte Götz durch die Räume seiner Burg, litt ärger noch als je zuvor an den Goldadern in seinem Hintern, und selbst das Frühjahr 1523 konnte ihn mit all dem saftigen Grün des Neckartals nicht über die erlittene Schmach hinwegtrösten. Jetzt aber, seit dem Eintreffen Arnim von Schwertleins, ist der gefällige Mantel des Selbstmitleids von ihm abgeglitten. »Franz, unser Stern. Ein Vorbild für jeden ehrbaren Ritter.«
Die Halle wird zu eng, Götz muss hinaus. Er eilt dem Gast voran, erst im Burggarten wendet er sich ihm wieder zu. »Berichte mir, Arnim. Ich weiß nur, dass Franz im letzten Sommer den Erzbischof von Trier verjagen wollte. Ein tollkühner Plan, bei meiner Seele. Und dass er die Belagerung abbrechen musste.«
»Mit dem Rückzug begann das Unglück …« Junker von Schwertlein, Leibdiener und Vertrauter des Reichsritters, steht breitbeinig wie bei einer Totenwache vor dem leuchtenden Narzissenbeet, nichts von der Blütenpracht färbt seine Stimme: »Der Pfaffenkrieg war nicht zu Ende. Nur hatte sich der Spieß umgedreht …« Fürstbischof Richard wollte Rache, er wollte den frechen Ritter vernichten, der es gewagt hatte, in seinem Erzstift die Reformation einzuführen, nicht allein dies, der den Oberhirten seines Amtes entheben wollte, um selbst den Stuhl des Regenten einzunehmen. »Drei Fürsten, der von Hessen, der von der Pfalz und der von Trier, die zogen mit ihrer Streitmacht vor unserer Burg auf.« In der Rückerinnerung weitet Arnim die Augen und flüstert: »Die Ebene um Landstuhl war ein einziges Heerlager, und zum Hohn hat uns der Feind vor dem Angriff seine Geschütze und Feuerwaffen gezeigt: Kartaunen, Notschlangen und Hakenbüchsen …«
»Verfluchtes neumodisches Zeug!« Götz droht mit dem Armstumpf ins Himmelsblau. »Knallrohre. Nur Feiglinge führen damit Krieg. Ein echter Ritter nimmt sein Schwert und drauflos … Mann gegen Mann, so kämpfen die wahren Helden in der Schlacht.« Er hält inne. Der Gedanke lässt ihn erbleichen. »Sag, Freund …« Schnell führt er den Boten zur Wehrmauer und deutet die Weinhänge hinunter zum Neckarufer. »Glaubst du, diese Geschütze könnten mir hier oben was anhaben?«
Der Junker nickt. »Zwei Tage … Länger hält das Gemäuer nicht stand.«
»Aber wir könnten uns in den Bergfried …?« Der Blick genügt. »Du meinst nein?« Götz will es nicht wahrhaben. »Immer schon haben sich bei Bedrängnis die Burgherren in den Turm zurückgezogen. Er ist uneinnehmbar.«
»Schon lange nicht mehr. Und deine alte Burg hier ist keine Ausnahme, auch sie bietet keine Sicherheit mehr. Da braucht es nur einige Treffer … und vorbei.« Arnim beschattet die Augen. »Unser neuer Turm war im letzten Jahr fertig geworden, mächtig und hoch, mit doppelt starken Schenkelmauern. Den haben sie sofort unter Beschuss genommen, und schon am ersten Tag ist er zusammengebrochen.« Vom nächsten Sonnenaufgang bis zum Anbruch der Dunkelheit donnerten die Geschütze ohne Pause, auch am dritten Tag ging das Bombardement mit unverminderter Heftigkeit
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