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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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hattest du deine Freude an diesem Mönch. Niemand scheint ihn richtig ernst genommen zu haben. Ich wusste damals bei Tisch schon, dass er Unruhe bringt, doch dieses Ausmaß ahnte ich nicht. Obwohl er vom Kaiser in die Reichsacht getan und nun sogar schon tot ist, wie ich hörte, so verbreiten sich seine Ideen wie die Lustseuche.
Vorn hebt Domprediger Poliander eifernd den Finger. »Die Urgemeinde, Brüder und Schwestern, kannte keine Ehelosigkeit ihrer Priester. Später, später erst ist der Zölibat von Rom den Dienern der Kirche aufgezwungen worden. Das Verbot wurde mit süßen Worten ummantelt: Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Ich aber sage: Willkür. Ihr hier versammelten Brüder im Herrn, hört meine Worte: Der Zölibat ist wider die Natur, wider Gottes Schöpfung. Amen.«
Vergessen ist der eigentliche Anlass, nach diesem Gottesdienst findet kaum einer noch Worte, um Meister Til für das kunstvoll gestaltete Grabdenkmal zu danken. Rasch zerstreuen sich die versammelten Kleriker, als fürchtete sich ein jeder, befragt zu werden oder die eigene Meinung zu der gestellten These kundzutun.
Die Freunde stehen noch beieinander. Martin Cronthal zieht die Brille ab. »Aus sicherer Quelle weiß ich, dass letzten November mehr als zehn Mönche in Wittenberg ihr Kloster verlassen haben. Trotz Gelübde sind sie tatsächlich aus ihrer Kutte gestiegen.«
Georg Suppan blickt sich nach seiner Gemahlin um. Da Hedwig und Margaretha Cronthal gerade das Kleid der jungen Frau des Bürgermeisters bewundern, wagt der Weißhaarige die Lippen zu lecken. »Die Mönche werden doch wohl nicht auch die Nonnen aus dem Nachbarkloster gelockt haben? Das wäre ja was.« Tonlos kichert er und klopft sich dabei auf den Bauch. »Was meint ihr?«
Til straft ihn mit dem Blick. »Nicht auszudenken. Abscheulich wäre solch ein Verhalten.« Er will nicht bleiben. So anders hat er sich die Würdigung seiner Arbeit vorgestellt. Kurz grüßt er die Damen und bietet seiner Hausfrau den Arm.
»Meister!« Hedwig Suppan kann den Rücken nicht mehr geradebiegen, und nach vorn gebeugt dreht sie ihm nur das Gesicht zu. »Hab ich Euch nicht eine bezaubernde Gattin zugeführt? Und Ihr habt Euer Herz für die Kleine geöffnet. Was hörte ich: eine Kette und Ohrringe. In Gold gefasste Perlen. Welch ein großzügiges Geschenk.« Vor Vergnügen tippt sie den Stock aufs Pflaster. »Ja, alte Männer werden wieder munter, wenn junges Blut um sie herum ist.«
Donner grollt in der Brust, mühsam nur kann Til ihn eindämmen. »Ich stimme zu«, presst er hervor, »meine Gattin ist etwas ganz Besonderes.« Nach wenigen Schritten blickt Gretelein über die Schulter zurück und winkt den Damen: »Versprochen. Sobald der Schmuck fertig ist, werde ich ihn euch vorführen. Bis bald.«
Absicht oder Einfalt? Darauf wagt Til keine Antwort zu geben. So oder so, seine Gemahlin hat der Richtigen von dem Geschenk erzählt. Und weiß Hedwig Suppan davon, dann weiß es morgen ganz Würzburg. Und weigere ich mich, dann bin ich der geizige Ehemann. Er schüttelt den Kopf, während er zehn Goldstücke in einen Lederbeutel zählt. »Bisher hat keine meiner Ehefrauen solch teuren Schmuck getragen«, murmelt er vor sich hin. »Nicht einmal die gute Anna. Und sie war in erster Ehe mit einem Goldschmied verheiratet.«
Reisefertig erwartet ihn Margarethe unten im Hof, wirft sich an seine Brust und zieht ihm dabei den Beutel aus der Hand. »Danke, du bist mein großer Bär und ich bin dein kleines Gretelein.« Sie lässt sich zu Rupert auf den Wagen heben. »Mutter wird stolz sein, dass ihre Tochter solch einen großzügigen Ehemann bekommen hat. Gleich wenn ich daheim ankomme, gehe ich mit ihr zum Goldschmied, das verspreche ich.«
Längst ist der Wagen durchs Tor gerollt. Immer noch steht Til im Hof und starrt ins Dunkel der Einfahrt. Spät erst merkt er, dass Magdalena zu ihm gekommen ist. »Dieses junge Ding«, murmelt er. »Ich fürchte, ich bin ihr nicht gewachsen. Wie sagt der Volksmund? Eine Frau trägt das Geld schneller in der Schürze aus dem Haus, als der Mann es mit der Schubkarre hereinschaffen kann. In der Tat, auf Margarethe trifft dieser Spruch wirklich zu.«
»Aber, Herr«, Magdalena bemüht sich, ernst zu bleiben, »Ihr seid immer schon großzügig mit Geschenken gewesen. Damals habt Ihr mir fürs Modellstehen einen ganzen Gulden gegeben. Und vor der Geburt von Florian, da habt Ihr mir den wunderschönen hellgrünen Stoff gebracht. Das Kleid besitze ich immer noch. Leider

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