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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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haben.«
Im späten Nachmittag schritt der Hauptmann zu seinem Zelt. Durst, seit Stunden nur Reden und Händeschütteln, die Kehle verlangte nach einem großen Schluck. Er ließ die Plane hinter sich zufallen, legte den roten Federhut sorgfältig auf die Kiste mit den frisch gedruckten Flugblättern. Ein Hüsteln ließ ihn zusammenfahren. Weiter hinten im Halbdunkel, hockte eine Gestalt auf dem Dreibein neben seinem Strohsack. »Verdammt. Was hast du hier zu suchen?« Langsam griff er nach dem Schwert.
»Lass stecken.«
Nicht laut, die sanfte Schärfe der Stimme aber zwang zum Gehorsam. »Wer …?«
»Komm näher!« Nach wenigen Schritten befahl der Fremde: »Das genügt.«
Der rote Hans zog die Brauen zusammen. Sosehr er sich mühte, genau konnte er die Gestalt nicht ausmachen. Ein dünner grauer Bart, da war er sich sicher, ein nackter Schädel, wenigstens von der Stirn hoch bis über den halben Kopf. Schwarze Augenhöhlen, in denen sich Glutpunkte bewegten, ihn bewachten. Er leckte die trockenen Lippen. »Womit kann ich dir helfen?«
»Du mir?« Wieder das Hüsteln. Oder war es vergnügter Spott? »Ich bin hergekommen, um dir zu helfen.«
»Ich brauche keinen … Und überhaupt …Weißt du, wer ich bin? Du sprichst mit mir, mit Hans Müller.«
»Sehr richtig. Mit Hans Müller von Bulgenbach, und ich beobachte dich schon seit letztem August. Da ziehst du mit einem starken Bauernheer von Stühlingen vor eure Unterdrücker und schlägst nicht zu, sondern verhandelst. Weißt du denn nicht, dass die sich rausreden, dass die jeden Prozess so lange hinziehen, bis niemand mehr weiß, worum es geht?«
»Aber vielleicht gibt es doch ein Einsehen bei den Herren.«
»Dummkopf! Warum soll der Mächtige dem Schwachen nachgeben? Nur wenn die Schwachen sich zusammentun und wirklich gleich hart dreinschlagen, dann haben sie Erfolg.«
»Wer bist du?« Der rote Hans wagte sich einen Schritt vor, sofort hob der Fremde die Hände leicht an. Die Umrisse einer Armbrust wurden sichtbar. »Bleib da, wenn du leben willst.« Er senkte die Waffe wieder. »Als du noch ein Knabe warst, habe ich den Bundschuh zum ersten Mal geschnürt, damals in Untergrombach; und zehn Jahre später zum zweiten Mal in Lehen. Verraten haben sie den Bundschuh, doch nie hab ich aufgegeben. Den dritten zog ich, schnürte ich vor acht Jahren …«
»Du bist …« Der rote Hans vermochte nur zu flüstern. »Joß … Joß Fritz. Und ich dachte, du bist längst tot.«
»So einer wie ich, mein Sohn, den fängt keiner, und der stirbt nicht so schnell.« Hüsteln, es dauerte lange. »Was ist nun? Bist du stark genug? Oder brauchst du meine Hilfe?«
»Ich schaffe es schon. Ich führ meine Haufen nach Waldshut und, wenn’s notwendig ist, weiter und immer weiter bis nach Freiburg. Wir geben nicht auf, bis wir unsere Freiheit wiederhaben und Gerechtigkeit herrscht.«
Die rechte Hand schnellte hoch in ein schimmerndes Gegenlicht. Hans Müller sah, wie der Daumen einknickte, die Finger ihn umschlossen und hörte. »Das ist gut.« Gleich verflog die Helligkeit wieder, und einer Feder gleich erhob sich die Gestalt vom Hocker, zog sich tiefer ins Halbdunkel zurück und war verschwunden.
Hans schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Kein Traum, er war wach. »Verflucht.« Er stürmte nach vorn, an seiner Schlafmatte vorbei. Nichts, der hintere Bereich seines Zeltes war leer. »Nein, nein, du bist nicht besoffen«, beschwor er sich. »Keinen Schluck hast du bis jetzt getrunken.« Er betastete die Rückwand. An der rechten Seite waren die Schnüre gelöst. Seine Hand glitt hinunter und berührte am Boden ein Stück Stoff. Er trug es ins Licht. Ein Halstuch, und in der Mitte sah er den aufgenähten roten Fleck mit einem H aus schwarzem Samt. »Das alte Erkennungszeichen vom Bundschuh.« Der Hauptmann straffte den Rücken. »Er war’s. Er war wirklich hier.«
Am Abend standen die Bauern in Reih und Glied. Der rote Hans sprang auf das Podest: »Freunde, Brüder!« Wie eine Fahne schwenkte er das Halstuch. »Unsere Sache wird siegen. Heute Nachmittag war er, der große Joß Fritz, bei mir. Ja, er hat zu mir gesprochen und mir seinen Segen gegeben. In euch, Freunde und Brüder, soll der Geist des Bundschuhs wieder erwachen. Denken wir an Joß Fritz, denn er wird stets an unserer Seite fechten.«
Die Haufen aus dem Klettgau flüsterten, riefen, schrien den Namen … und glaubten.
Das Drängen von unten gärte, brodelte. Und die Kruste brach, Risse taten sich auf. Am Bodensee,

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