Riemenschneider
Kind an. Langsam schaukelte sie das Glück. »Und ich könnt dem Kleinen so viel geben. Ach, wär das schön.«
Der neue Gedanke versiegelte das Bild und brachte Lisbeth zurück. »Ich weiß auch, wie wir’s anstellen.« Sie streckte ihre Hand aus und wartete, bis Katharina zaghaft danach griff. »Wir zeigen es den Kerlen. Von mir bekommst du Kräuter und Tee, dass sie denken, wir schaffen es auf diese Weise weg. In Wirklichkeit aber geb ich dir die besten Sachen, damit das Kind gesund wachsen kann. Und wenn du morgen zu deiner Schwiegermutter gehst, dann sag ihr alles, auch was die Kerle von dir verlangen …«
»Ich glaub nicht, dass Flori wirklich …«
»Schon gut. Ich kenne meinen Hans. Der beschwatzt jeden und deinen Kerl sowieso. Egal, ob Florian es nun will oder nicht. Das Kind bekommen wir. Und ich glaub, deine Schwiegermutter will es bestimmt auch. Dann sind wir drei.«
So viel Zuversicht entlockte der Schwangeren wieder ein erstes Lächeln, gleich setzte Lisbeth obendrauf: »Und lass die Kerle da draußen rumschreien und sich prügeln, mit wem sie wollen, gegen uns Frauen kommen die nicht an.« Sie fasste die Hand fester. »Und nun gehen wir in die Küche. Hab da noch Honigmandeln und ein Stück Marzipan. Wir setzen uns gemütlich an den Herd. Und dann erzählst du mir genau, wie du deinen Florian dazu gekriegt hast. Schließlich hab ich dir ja extra den Samenfänger geschenkt.« Helle Vorfreude auf diese Geschichte ließ Lisbeths Gesicht aufleuchten, und sie beschleunigte den Schritt.
Viele Pfarrhäuser in Oberschwaben hatten sich geleert; aus Angst vor dem anwachsenden Bauernheer und dem unbedingten Ruf nach evangelischer Predigt waren die Priester nach Ulm geflüchtet. Dort, in der bundestreuen Stadt, erhofften sie Schutz vor den Stürmen im Land.
Der Pfarrer von Leipheim aber war geblieben. »Ja, schaut mir nur aufs Maul«, rief er den Bauern zu. »Ich sag’s euch in deutscher Sprache. Ich predige euch das Wort, so wie es in der Bibel niedergeschrieben ist. Ohne Falsch und Hintertür …« Der Pfarrer wollte mehr, wollte nicht allein Hirte der Seelen sein, er fühlte sich zum Streiter berufen und setzte sich mit an die Spitze der Haufen. Doch er und die anderen unerfahrenen Hauptleute ahnten nichts von der Kraft des angestauten Zorns.
Die Bauern hatten in den ersten Tagen des Aprils die Schlösser, Klöster und Pfarrhöfe geplündert, betranken sich am Wein und schleppten fort, was sie tragen konnten. Sie verwüsteten die Kirchen, zerschlugen Orgelwerke und Sakramentsschatullen und zersägten oder köpften die geschnitzten Heiligen und Madonnen … Jeder Ruf nach Mäßigung und Disziplin verhallte.
»Jörg, hilf!«, riefen die Fürsten. Und im Eilschritt führte Georg Truchsess von Waldburg seine Truppen heran. Das haltlose Durcheinander im Bauernlager entlockte dem Feldherrn nur ein dünnes Lächeln, und er teilte seine Streitmacht in zwei Heerhaufen. »Die Taktik ist einfach. In der Zange werden wir sie zerquetschen.«
Die Nachricht vom drohenden Angriff ernüchterte die Beutetrunkenen. Angst breitete sich aus. Der Pfarrer von Leipheim predigte unverdrossen: »Fürchtet euch nicht! Gott ist mit unserer gerechten Sache, deshalb werden sich die Geschütze und Schwerter der Bündischen umkehren und sie selbst vernichten.«
»Angriff!« Doch es kam erst gar nicht zur Schlacht. Die Bauern flohen und wurden gefunden. »Kein Erbarmen!«, hatte Jörg den Landsknechten befohlen. Schreie gellten auf den Wiesen, im Gehölz, Blut tränkte das frische Gras. Die Jäger hetzen ihr Wild auf die Donau zu, und wer nicht im Fluss ertrank, den erwartete der Todesstoß am anderen Ufer.
Wo gab es Rettung? Die Verzweifelten flüchteten sich in die Stadt Leipheim, riefen nach ihrem Hirten: »Wann dreht Gott die Waffen um?« Doch keine Hilfe kam, weder vom Himmel noch aus dem Pfarrhaus. Am Abend des 4. April 1525 flehten die Verlorenen den Truchsess um Erbarmen an.
»Ergebt euch auf Gnade und Ungnade«, verlangte Jörg, »und liefert mir euren Prediger aus!«
Kaum hörte der Hirte von der Forderung, griff er tief in die angehäufte Kriegskasse und entschwand mit 200 Gulden durch einen Geheimgang, der vom Pfarrhaus unter der Stadtmauer in Richtung Flussufer führte. Dort verbarg er sich, bis ihn ein Hund am nächsten Tag mit seinem Gekläff verriet.
Georg Truchsess von Waldburg zögerte nicht, ihm waren Recht und Macht übertragen, und er nutzte sie. Noch am selben Tag fiel der Kopf des Hirten, fielen die Köpfe der anderen
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