Riemenschneider
Bauernführer.
Die Nachricht von der blutigen Niederlage bei Leipheim verunsicherte die Christliche Vereinigung der drei Bauernschaften in Oberschwaben.
Im fernen Franken jedoch lähmte sie den Aufruhr nicht. »Würzburg. Dort wollen wir das Hauptübel strafen.« So rief es aus dem Neckargrund und von den Höhen des Odenwalds, aus den Tälern der Tauber und der Jagst. Zuvor aber wollten sie stark und stärker werden als alle Kräfte, die Fürstbischof Konrad von Thüngen aufbringen konnte.
Im Wappensaal auf dem Marienberg siedete die Stimmung. Ritter und Räte rangen am 6. April um eine Lösung. Längst konnte Hofmeister Rotenhan nicht mehr Wortmeldung nach Wortmeldung aufrufen. Lautstärke allein bestimmte die Reihenfolge: »Wartet nicht! Zögert nicht länger!« Zur Bekräftigung flog dem Redner das Schwert in die Faust. »Freunde, wir sollten angreifen. Dort, wo sich Bauern erheben, dort sollten wir das Dorf sofort abbrennen und verwüsten …«
»Mäßigung! Damit schüren wir das Feuer nur. Und die Bauern werden zu tollwütigen Hunden. Ehe wir nicht Unterstützung vom Bundesheer erhalten, sollten wir abwarten …«
Der Hohe Herr selbst hielt sich mit einem eigenen Vorschlag zurück, er benötigte jeden Schwertarm, und niemand in der Versammlung durfte gekränkt die Unterstützung verweigern.
Endlich, am späten Nachmittag, als die Kehlen heiser und trocken waren, gelang es Hofmeister Rotenhan, den Parteien einen Beschluss abzuringen: Nichts wird gegen die Bauern unternommen, ehe nicht Herrensitze und Burgen, insbesondere das fürstbischöfliche Schloss auf dem Marienberg, mit Bewaffneten verstärkt, mit Lebensmitteln und Wasser ausreichend versorgt und mit schweren Geschützen, Pulver und Kugeln und anderen Waffen bestückt sind. Wenn dann die Bauern nach mehrmaliger Ermahnung immer noch nicht von ihrem unseligen Vorhaben ablassen, dann erst sollte mit Rittern und Fußvolk gegen die Ungehorsamen vorgegangen werden …
Die Auflagen für seine Stadt ließ Bischof Konrad in vier Artikeln niederschreiben. Nach dem Diktat zögerte er einen Moment. »Bei der inzwischen doch angeheizten Stimmung in der Bürgerschaft fürchte ich Missverständnisse.« Er legte dem Sekretär die Hand auf die Schulter. »Lass deinem Kollegen, Stadtschreiber Cronthal, eine Notiz zukommen, dass Wir bei Erklärungsbedarf, gerne Unseren Hofmeister Sebastian Rotenhan und andere Vertraute in die Stadtviertel schicken, um persönlich alle Bedenken zu zerstreuen, dies möge Cronthal nach der Verlesung mit anklingen lassen.«
Endlich, gegen zehn Uhr Montag früh nach Palmsonntag, waren alle Sessel oben im Ratssaal des Grafeneckarts besetzt. Die Fenster standen offen, draußen lachte ein frischer Aprilmorgen. Kurz nur begrüßte Oberbürgermeister Heyssner die Versammelten und gab das Wort gleich an den Stadtschreiber weiter.
Martin Cronthal erhob sich: »Die Niederschrift über das Ergebnis der Verhandlungen oben auf dem Berg erreichte mich erst nach Ende unserer Sitzung am Freitag. Ich fragte den Boten, warum diese Verspätung? Er versicherte mir, dass ihm der Lederköcher eine halbe Stunde zuvor ausgehändigt worden sei und er sich sofort auf den Weg gemacht habe.« Das leise Spiel der Mundwinkel kündigte einen Scherz an: »Da hier ausschließlich neue Vorschriften auf uns zukommen, scheint mir die kleine Verspätung nicht sonderlich tragisch.«
Niemand lachte, und nur aus Solidarität mit dem Freund nickten Meister Til und Georg Suppan ihm zu. Der Stadtschreiber rückte die Brille zurecht und hob das Blatt: »Unser gnädiger Herr hält es nach langer Beratschlagung über eine Gegenwehr betreffs der Bauernlager an der Tauber für dringend angebracht, dass wir die folgenden Artikel im Rat vordringlich besprechen, auch sollten die Inhalte allen Viertelmeistern und Vorstehern der Gemeinde vorgelegt werden, damit diese auch von diesen bedacht werden.«
Martin Cronthal vergewisserte sich über den Brillenrand, ob ihm auch alle Herren ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten. Kein Geflüster nebenbei, niemand setzte seinen Feiertagsschlaf fort, zufrieden senkte er wieder den Blick. »Alle Bedenken sollen seiner fürstlichen Gnaden ohne Zögern übermittelt werden, auf dass eine Klärung gefunden wird und seine fürstliche Gnaden auch das Domkapitel möglichst rasch zu einem Einverständnis bewegen kann.
Erstens …« Wenn die Bauernhaufen ins Fürstentum eindringen oder sich gar der Stadt Würzburg näherten, so musste unbedingt die öffentliche Ordnung
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