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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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aufrechterhalten werden. »Um dies zu gewährleisten, sollten etliche aufwieglerische Leute, die nur zu gerne mit Verwirrung und Unruhe das friedvolle Leben in der Stadt zerstören wollen, diese Leute müssen mit scharfen Strafen belegt werden. Zum anderen: Nachdem unser Herr …«
Pfeifentriller! Unten von der Straße her. Eine schrille Melodie folgte. Dazu Schreien: »Hierher Leute! Hierher!« Laufen, das Stimmengewirr nahm zu und darüber immer wieder das gehetzte Pfeifenspiel. Dann brach es jäh ab. »Freunde! Brüder! Nun ist es so weit! Hier steht es schwarz auf weiß. Man will uns hinauszwingen, aus der Stadt treiben …« Erschrockene Rufe unterbrachen den Redner.
Im Ratssaal hatte Martin Cronthal das Blatt sinken lassen. »Bermeter. Er ist das Haupt der Unruhestifter.« Jeder wusste, von wem er sprach, und als die Stimme wieder anhob, starrten alle Herren zu den geöffneten Fenstern.
»Sie wollen uns, dich und dich, auch mich wollen sie hinausjagen gegen die Versammlung der Bauern. Sind dies aber unsere Feinde? Lagern dort Übeltäter? Nein, Freunde, dort haben sich ehrbare, einfache Männer versammelt, die nur dem reinen heiligen Evangelium anhängen und helfen wollen, es überall aufzurichten. Und wir sollen ihr unschuldiges christliches Blut vergießen.«
Drohungen gegen den Hohen Herrn und seine Räte wurden laut. Der Zorn nahm zu, und Bermeter wartete das Aufwallen ab.
Oben im Saal schnaufte Georg Suppan, sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. »Stadtschreiber! Von einem bewaffneten Trupp der Bürgerschaft weiß ich nichts? Was ist, lügt der Kerl? Oder?«
Martin Cronthal tippte den Finger immer wieder auf einen Absatz des Schreibens. »Er … der Fakt stimmt. Tatsächlich will der Fürst wissen, wie viel Hundert Bürger wir für den Feldzug gegen die Bauern stellen können. Diesen Passus wollte ich gerade verlesen.«
Lauter schnaufte der alte Ratsherr und wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von Wangen und Hals. »Jetzt wissen wir wenigstens, warum die Artikel am Freitag so spät bei dir ankamen. Dieser Kerl hat überall seine Zuträger und schnelle Finger, wenn es ums Abschreiben geht …«
Vor dem Rathaus hatte Bermeter seine Hetzrede fortgesetzt. » … und während wir draußen im Feld sind, werden bewaffnete Reiter in unsren Häusern einquartiert. Freunde, wir alle kennen diese bezahlten Knechte. Diese Teufel werden sich an unsern Frauen und Töchtern vergehen …«
Ohne Nachfrage nickte Martin Cronthal und bestätigte den Ratsherren: »Auch dies entspricht im Grunde der Wahrheit. Der Fürst möchte einen Teil der Reiterei in der Stadt unterbringen. Wir sollen für Stall und genügend Räumlichkeiten Sorge tragen.«
Til und Georg Suppan folgten einigen Ratskollegen an die Fenster. Unten vor dem Grafeneckart drängten sich zwischen den Markt buden die Männer um das Fass, auf dem Bermeter stand. Er nahm seinen Federhut ab und drohte mit ihm in Richtung Dom. »Bisher haben die Pfaffen etliche von unsern Eheweibern und Töchtern verführt, sie mit Gewalt zur Sünde gezwungen. Und obwohl sich die Armen bitter beklagt haben, gab es keine Hilfe. Das war böse genug! Was aber sollen die Schwachen jetzt tun, wenn wir aus der Stadt ziehen? Sollen wir Hab und Gut, Weib und Kind diesen Wüstlingen überlassen?« Das Volk schrie, hob die Fäuste. Bermeter skandierte: »Niemals! Niemals!« Und bald gellte das Echo aus allen Kehlen.
Georg Suppan tastete nach dem Arm des Freundes, stützte sich schwer auf ihn. »Wenn es nach dem Willen des Hohen Herrn geht, müssten wir den da unten in Haft nehmen.« Die leicht bläulichen Lippen beben. »Wäre unsere Lage nicht so ernst, könnte ich über solch einen Befehl nur lachen. Längst hat Bermeter die Straße hinter sich. Wer jetzt noch versucht, ihn mundtot zu machen oder gar wegzuschaffen, der riskiert eine Explosion beim Pöbel und womöglich auch in der Bürgerschaft.«
»Außerdem scheint er ja gut informiert.« Til sah nach unten und befeuchtete nachdenklich die Unterlippe. Inzwischen war der Spielmann vom Fass gesprungen, seine Freunde bildeten einen Schutzring, so schoben sie ihren Führer durch die Menge in Richtung Sander Viertel. »Zumindest gelangt er eher noch als der Rat an wichtige Informationen.«
Suppan musste einige Male tief einatmen, dann erst vermochte er zu sprechen: »Lieber Freund, das Gefährliche an diesem Mann ist nicht sein Wissen, ganz gleich, wie er daran kommt. Nein, fatal ist, wie er es nutzt. Bewusst zieht er falsche Schlüsse

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