Riemenschneider
sprichst du?«
»Nicht die Bauernheere sollten uns erschrecken.« Bermeter stützte sich jetzt auch auf, schob sein Gesicht näher. »Vom Berg dort oben droht die wirkliche Gefahr. Ich habe Informationen aus sicherster Quelle. Ein Irrtum ist ausgeschlossen …«
Bermeter berichtete, hin und wieder stockte er, rang um Fassung, ehe er fortfahren konnte, und bat, als er geendet hatte: »Ihr müsst den Stadtrat warnen.«
»Warum nicht du selbst?«
»Zu viele von den ehrenwerten Herren haben an mich ihr Geld beim Würfeln verloren, deshalb glauben sie mir vielleicht nicht. Aus diesem Grund bin ich zu Euch gekommen, weil Ihr ein aufrichtiger Mann seid, dem alle vertrauen. Erst sagt Ihr es im Grafeneckart, und ich sag’s dann gleich den Leuten auf der Straße.«
Zum ersten Mal reichte Til dem Spielmann die Hand, als er sie ergriff, drückte der Meister fest zu. »Danke. Vielleicht können wir so gemeinsam das Unglück verhindern.«
Auf halber Treppe hoch zum Ratssaal lehnte Georg Suppan an der Wand und schöpfte Atem. »Soll ich dich stützen?«, rief Til von unten und nahm mit jedem Schritt gleich zwei Stufen.
Der Freund nestelte am Hemdkragen. »Die Luft ist so stickig heute, sie beengt die Brust. Findest du nicht auch?«
Ohne darauf einzugehen, half Til ihm weiter und nutzte den Moment: »Mir ist eine Ungeheuerlichkeit zu Ohren gekommen. Und ich will und muss sie gleich zu Beginn allen mitteilen.«
»Weihe mich vorher ein.« Mit einem Mal wieder lebhafter, tätschelte der alte Politiker den stützenden Arm. »Worum geht es?«
»Dieser Bermeter hat mich in meinem Haus aufgesucht, nur mir wollte er die Information anvertrauen.«
Aus dem Sitzungssaal tönte die Glocke. Til blieb keine Zeit. Der Ratsdiener ließ die beiden verspäteten Herren mit ungnädiger Miene passieren und schloss nach ihnen sofort die Flügeltür. Georg Suppan raunte hinter vorgehaltener Hand: »Was es auch ist. Erwähne den Namen Bermeter als Informanten nicht. Sonst stecken sie dich mit ihm unter eine Decke. Hör auf meinen Rat. Gib den Namen nur an, wenn sie unbedingt darauf bestehen!«
Bürgermeister Heyssner eröffnete die Sitzung. »Meine Herren, ich hoffe, jeder von euch konnte sich von den Aufregungen heute Morgen erholen, sodass wir jetzt in Ruhe und Sachlichkeit über die vier Artikel diskutieren können. Ich denke, unser Hoher Herr verlangt uns zu viel ab, doch ein Kompromiss wird sich finden lassen.«
»Davon bin ich nicht überzeugt!«, rief Til ohne Meldung in den Saal, war schon aufgestanden, als sich die Kollegen nach ihm umwandten. »Verzeiht mir die Unhöflichkeit, Bürgermeister. Als ich das Amt noch innehatte, waren mir die Zwischenrufer auch ein Dorn im Auge. Doch heute muss es sein.«
Mit Handzeichen erhielt Til nachträglich die Erlaubnis zu sprechen.
»Freunde, werte Kollegen! Heute Mittag wurde mir von verlässlicher Seite mitgeteilt, dass Fürstbischof Konrad mit uns und seiner Stadt ein schandbares Spiel treibt. Offiziell zeigt er sich besorgt um unser Wohlergehen, in Wahrheit aber haben er und das Domkapitel heimlich Geschütze, Munition und Pulver in seinen Hof Katzenwicker schaffen lassen. Auch Wein und Proviant. Außerdem sind dort längst bewaffnete Ritter einquartiert worden. Und es sollen im Schutz der Nacht noch mehr Bewaffnete dorthin verlegt werden.«
Atemloses Schweigen. Til presste die Handflächen zusammen. »Und warum, Freunde, werte Kollegen? Warum rüsten sich Bischof und Kapitel mitten in unserer Stadt? Und dies ohne unser Wissen?« Tiefe Enttäuschung und verhaltener Zorn zeichneten das Gesicht. »Ich muss es euch sagen: Morgen oder übermorgen werden etliche Bürger aus jedem Stadtviertel in den Katzenwicker befohlen. Unbewaffnet. Und zwar nicht allein die Aufhetzer, sondern auch jeder kritische Mann, jeder, der nicht alles gutheißt, was vom Berg verordnet wird. An diese Bürger werden unmäßige, ehrenrührige Forderungen gestellt, die niemand befolgen kann. Und ihre Weigerung genügt als Vorwand. Ohne Zögern sollen sie dann von den Bewaffneten eingekesselt und niedergemacht werden.« Til sah in die entsetzten Gesichter. »Ja … Das erwartet uns.«
Erst nachdem er seinen Platz wieder eingenommen hatte, brach der Sturm los. Die Ratsherren redeten, fluchten, sie brüllten durcheinander, Fäuste hieben auf den Tisch, drohten zur Burg hinauf. Wieder und wieder ertönte die Glocke. Bürgermeister Heyssner bemühte sich zu beschwichtigen. Endlich legte sich der Tumult etwas. Georg Suppan reckte die Hand,
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