Riemenschneider
Abstand von der Plünderung haben. Wer weiß, was die Benediktiner später erzählen. Lass ein paar Tage dazwischen. Nimm den 3. im Mai. Sicher ist sicher.«
Die Ruhe war verloren, nichts stand mehr still. Misstrauen hatte in Würzburg das Rad angestoßen, keine Beteuerung oben vom Marienberg, keine Zugeständnisse vermochten es noch anzuhalten. Mit jedem Tag rascher war die Stadt den Zügeln ihres Hohen Herrn entglitten, selbst Rat und Bürgermeister verloren unaufhaltsam an Einfluss, und der Pöbel formierte sich. Im Weinrausch lösten sich Gesetz und alte Ordnung auf. »Wir fordern die Beseitigung aller Vorrechte der Pfaffen …«
Die Rädelsführer jagten die Mönche aus dem Franziskanerkloster und nisteten dort ihr Parlament ein. Hans Bermeter schwenkte im Saal seinen Hut, ließ die Pfeife trillern und jubilieren. Nein, er wollte nicht selbst führen. »Nehmt den Barthel Würzburger. Der versteht das Geschäft!« Und als der Schankwirt durch Gegröle aus dreihundert Kehlen zum Hauptmann gewählt war, nahm Bermeter seinen Adjutanten beiseite, legte ihm den Arm um die Schulter und flüsterte: »Der Barthel ist meine Puppe, und ich zieh an den Fäden. Erst wenn alles entschieden ist, dann setz ich mich vorne hin.« Florian sah seinen Meister verständnislos an.
»Aber, Kleiner. Ist doch ganz einfach. Ich lasse ihn den Kopf hinhalten. Geht die ganze Sache gut, ist es gut, geht’s aber schief, bin ich ganz leicht draußen.« Bermeter schloss mit der Hand unsichtbare Würfel ein und schüttelte sie am Ohr. »Wie viele Augen werfe ich? Na, sag es, Kleiner!«
»Sind es unsere Würfel?«
»Aber ja.«
»Dann gibt’s einen Bock. Dreimal die Fünf.«
»So ist es.« Der Spielmann führte den Wurf nicht aus, dafür knuffte er dem Sohn Magdalenas gegen den Oberarm. »Nun hast du’s begriffen.«
Am frühen Nachmittag des 28. April waren Bermeter, Schnappenspengler, die Brüder Dietmar und eine Rotte mit Fackeln zum Kloster Himmelspforten gezogen, hatten geplündert, sich am Weinvorrat betrunken, und ehe die Sonne versank, waren hohe Flammen aus den Dächern geschlagen.
»Am helllichten Tag? Nicht einmal die Dunkelheit warten sie ab, ehe sie schänden und brennen.« Fürstbischof Konrad presste die Fingerkuppen beider Hände gegen die Schläfen. »So weit ist die Rohheit meiner Untertanen gediehen?«
»Mein Fürst, Ihr dürft nicht selbst am Landtag teilnehmen.« Hofmeister Rotenhan versuchte aufs Neue, seinen Herrn zu überzeugen. »Der Rat hat Euch zwar freies Geleit zum Katzenwicker zugesichert. Doch seid Ihr erst einmal unten in der Stadt. Wer garantiert, dass der Pöbel nicht eigenmächtig handelt? Mein Fürst, ich sehe große Gefahr für Euer Leben.«
Da lächelte Konrad von Thüngen ein bitteres Lächeln. »Danke, Freund. Aber mit meinem Sekretär und einer Handvoll Getreuer an der Seite bin ich gut beschützt. Was also kann mir zustoßen?«
Am Morgen des 2. Mai ritt Bischof Konrad vom Marienberg hinab in die Stadt. Gleich an der Brücke erwartete ihn ein Spalier bewaffneter Bürger, und sicher erreichte der Hohe Herr den Katzenwicker.
All seine Freundlichkeit, selbst Zugeständnisse brachten keinen Erfolg.
»Ohne die Bauern sind wir nicht bereit zu verhandeln«, riefen die Gesandten. Und der Landtag scheiterte. Am Abend stieg Bischof Konrad wieder in den Sattel. Die Blicke der Bürger waren kälter geworden, doch unbehelligt gelangte er zurück auf den Berg.
Was tun? Von allen Seiten rückten die Bauernheere auf Würzburg zu. Noch einmal vergewisserte sich der Hohe Herr, ob sein Haus gegen Sturm geschützt und für die Not vorgesorgt war. Sein Hofmeister hatte mit Bedacht und größter Umsicht gehandelt. Für freies Schussfeld der Geschütze waren die Bäume im Lustgarten gefällt worden, neue Palisadenzäune standen rund ums Schloss, die Tore waren dreifach besetzt. Keller und Vorratskammern quollen über. An genügend Wasser und Wein fehlte es nicht.
Was tun? Auf dem Marienberg ausharren, bis der Truchsess mit dem Bundesheer endlich Rettung brachte? »Doch wann wird das sein?«
Sekretär Lorenz Fries hatte einen Brief entrollt und schlug nach der Lektüre mit der Hand heftig aufs Blatt, als könnte er damit den Schreiber treffen. »Um Vergebung, Herr. Wieder ein Lehensmann lässt sich entschuldigen. War es heute Morgen Graf Georg von Wertheim, so kündigt Euch dieses Mal Ritter Götz von Berlichingen die Treue auf. Auch er fühlte sich den Bedrohungen durch die Bauern nicht gewachsen. An sich wäre es um diesen
Weitere Kostenlose Bücher