Riemenschneider
mir, Herr. Freiwillig hätte er mich nie alleingelassen. Auch Els hat dem Schwager verboten, so etwas zu behaupten, weil sonst der Pfarrer meinen Jakob nicht in geweihte Erde legt. Wenigstens ein gutes Begräbnis sollen sie ihm doch gönnen, bei dem armen Leben, das er hatte.«
»Dich hatte er.« Til wollte ihren Arm berühren, ließ aber die Hand wieder sinken. »Du warst sicher das Glück für ihn.«
»Und Unglück wird es jetzt. Und er wusste nicht einmal was davon. Niemand weiß bis jetzt davon. Ich, ich wollte es ihm erst nächsten Monat sagen. So zur Freude. Aber das kann ich nun nicht mehr.« Unvermittelt lehnte sie Schutz suchend die Stirn an seinen Arm. »Bitte, seid nicht zornig auf mich. Ich weiß auch nicht warum, aber Euch möchte ich es sagen …« Leises Weinen schwang in der Stimme mit: »Ich bekomme ein Kind, Jakobs Kind.«
Behutsam legte ihr Til die Hand auf die Schulter, wagte einen Atemzug lang den Rücken zu streicheln, dann räusperte er sich und löste sich aus der Nähe. »Danke für dein Vertrauen. Es steht mir nicht zu … und heute ist sicher nicht der rechte Tag, darüber zu sprechen … dennoch: Was wird nun aus dir, vor allem, was wird werden, wenn das Kind da ist?«
Magdalena starrte ins Wasser. »Ich weiß es nicht. Drüber nachgedacht hab ich noch nicht. Weil … Es ist ja erst drei Tage her. Vielleicht bleib ich bei der Schwägerin, wenn da genug übrig ist, um noch zwei Esser mehr durchzufüttern. Ich weiß es nicht.«
Ihre Hilflosigkeit rührte Til, er musste sich zwingen, die junge Frau nicht wieder in den Arm zu nehmen, so nestelte er den Geldbeutel aus der Rocktasche. »Ich bin hergekommen, um dir das Honorar für deine Arbeit zu geben. Ich schulde dir einen Gulden.«
»Ach, Herr. Den hab ich nicht verdient. Enttäuscht habe ich Euch.«
»Zu Anfang, das muss ich gestehen, war ich tatsächlich verwundert. Aber du hattest sicher deine Gründe, warum du nicht wiedergekommen bist. Bitte, nimm den Gulden und lass uns nicht mehr davon sprechen.«
»Ich will aber, weil ich mich sonst immer schäme, wenn ich an Euch denke.« Leise berichtete Magdalena von diesem Spielmann Bermeter und ihrer Not: »Ich war so durcheinander, und da hab ich das Geheimnis unserer Eva verraten. Und weil ich Euch nicht noch mehr Kummer machen wollte, da bin ich besser hiergeblieben.«
»Du wolltest mich schützen? Also meinetwegen bist du …?« Er rundete die Lippen, wollte nicht, dass sie seinen Blick sah, und wandte sich ab. Nach einigen nachdenklichen Schritten am Ufer entlang straffte er den Rücken und kehrte zurück, den blanken Gulden hielt er zwischen Zeigefinger und Daumen hoch. »Dieses Goldstück soll der Grundstock sein. Der Anfang für ein neues Leben …« In seinen Augen lebten Pläne auf. »Du kommst in die Stadt. Ich besorge dir eine Unterkunft. Ja, nicht weit vom Hof Wolfmannsziechlein. Und ich besorge dir Arbeit. Nein, hab keine Furcht vor der Zukunft. In meiner Nähe soll es dir und dem Kind nicht schlecht ergehen …« Er sah ihr Erschrecken und hielt inne. »O verzeih, ich male schon Bilder und habe dich nicht einmal gefragt, ob du dazu bereit bist.«
»Ich kann nicht antworten. Nicht heute …« Magdalena wischte sich die Augenwinkel. »Bitte, gebt mir Zeit, Herr! Ich will traurig sein für meinen armen Jakob. Weil ich glaube, dass es ihm hilft …« Sie sah hinauf zu den Wolken. »Ich mein, er muss doch da im Himmel einen guten Platz bekommen.« Ihre Gedanken zogen sie zum Haus. »Entschuldigt mich jetzt.«
Magdalena eilte schon zwischen den Obstbäumen zurück. Meister Til blieb neben ihr. »Nimm wenigstens das Geld.«
»Nein, Herr, bewahrt Ihr es für mich auf. Dann vergesst Ihr mich auch nicht.« Sie wandte sich ihm zu, ihr Blick hellte sich auf. »Sobald ich Antwort geben kann, komme ich zu Euch und frage danach.« Der Schimmer erlosch, sie hatten die offen stehende Tür erreicht. »Lebt wohl, Herr.«
Til sah ihr nach, es drängte ihn, die junge Frau festzuhalten, doch längst war sie in der Düsternis des Totenhauses verschwunden.
6
D en ganzen Tag über roch es nach Schnee, der Himmel lag schwer über Würzburg, doch es wollte nicht schneien. Bei Anbruch der Dämmerung zog Frau Anna ihrer Tochter die Wollmütze über, prüfte, ob auch der Mantel fest geschlossen war, und verlangte, dass Gertrud die Fellhandschuhe anzog.
»Nein, Mama. Die will ich nicht.«
»Sei folgsam, Kind.« Im gütigen Ton schwang fürsorgliche Strenge mit. »Armer Leute Kinder wären froh, wenn sie bei
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