Riemenschneider
zu sprengen, dieser Stollen ist ein sichtbarer Beweis für die Zusammenarbeit und nicht so rasch zu verschleiern. War es von vornherein auch ein hirnloses Unterfangen, aber es wurde von der Stadt finanziert.«
In den Mundwinkeln Tils zuckte es: »Vielleicht wird Wahnsinn nicht so schwer gewogen?«
»Dann, lieber Freund, dürfte keiner der Herren drüben im Tollhaus etwas zu befürchten haben.« Ein Seufzer befreite. »Lass uns den bitteren Humor bewahren, damit stehen wir das Chaos leichter durch.« Die Freunde prosteten sich zu.
»Welche Neuigkeiten?«
»Der Feldhauptmann des Hellen Haufens, dieser Götz von Berlichingen, hat ein lautes Organ.« Martin Cronthal zuckte entschuldigend mit den Schultern. »So bleibt es nicht aus, dass ich auf dem Weg hinauf in meine Dachstube das eine oder andere, was er hinter verschlossener Tür von sich gibt, besser gesagt von sich brüllt, einfach hören muss.« Er tippte den Finger auf den Tisch. »Ich weise jeden Verdacht des Lauschens weit von mir.«
Schmunzelnd nickte der Bildschnitzer. »Neugier ist dir fremd, dies bestätige ich gern.«
»Tatsache ist, dass Ritter Götz sich aus Würzburg zurückzieht. Er bricht auf, und zwar mitsamt dem Hellen Haufen. Die Belagerung sei gescheitert, er wolle – ich sage nur, was er gesagt hat – diesen Scheißdreck hier nicht länger mit ansehen. Daheim wären die Verwandten und auch die christlichen Brüder in Gefahr. Deshalb sei es das Klügste, sofort das Lager abzubrechen und den Bedrängten zu Hilfe zu eilen. Du kannst dir vorstellen, wie die anderen im oberen Bauernrat reagiert haben. Ein Volltreffer mit einer Kartaune hätte keine größere Wirkung erzielen können.«
Til beugte sich vor. »Das bedeutet doch Glück für uns und die Stadt. Die Bauern ziehen weg, damit sind wir jede Bedrängnis los.« »Nicht ganz. Die Fähnlein unter Florian Geyer bleiben vorerst, nur die Odenwälder und Neckartaler ziehen mit Götz von Berlichingen dem Truchsess entgegen. Heute Nacht brechen sie auf.«
»Bald können wir wieder ruhiger schlafen.« Til schenkte nach. »Ich spüre es. Und dann werde ich neue Gesellen einstellen, und endlich klingt meine Werkstatt wieder. Du ahnst ja nicht, wie ich den harten Dreischlag in den Stein, das schnelle Pochen ins Holz vermisse. Ja, selbst das Hin und Her der großen Säge fehlt mir, wenn die Lindenstämme zugeschnitten werden. Das ist die Melodie, mit der ich leben will.«
Eine Weile sah Martin Cronthal den Bildschnitzer still an, dann räusperte er sich umständlich, schob mit dem Finger den Brillensteg höher. »Noch etwas, lieber Freund. Noch eine Neuigkeit, sie wird dir nicht gefallen, fürchte ich.«
»Solange meinen Kindern nichts zugestoßen ist oder den Menschen, die mir nahestehen, ertrag ich sie schon.«
»Eine Horde Bauern hat die Pfarrkirche von Rimpar verwüstet. Auch die Grabkapelle. Diese Nachricht brachte mir ein Bote der Familie Grumbach.«
Til saß wie versteinert da, schließlich ballte er beide Fäuste und presste sie zusammen, die Knöchel wurden weiß. »Dorthin sollte mein Relief. Nächste Woche ist es vollendet.«
Martin Cronthal nickte. »Gern hätte ich dir den Kummer erspart. Aber ehe du dich vergeblich auf den gefahrvollen Weg hinausbegibst, war es meine Pflicht, dich zu informieren.« Er erhob sich. »Ich muss zurück. Wenn morgen eine Sitzung stattfinden kann, gebe ich Nachricht.«
Wortlos geleitete Til den Freund bis zum Tor. »Danke, mein Freund. Danke für die Neuigkeiten. Auch für die letzte …«
Schweren Schritts kehrte er in die Werkstatt zurück. An der Schwelle zum Steinsaal blieb Til stehen. Die Augen der Figuren sprachen zu ihm. Da war Maria, über ihr blickte Johannes in ernster Zuversicht, da der sorgende Joseph. Langsam ging Til auf das Steinbild zu. Rechter Hand beugte sich sein Sohn Barthel über Maria Magdalena, ihre Augensterne hatte er schwarz umrandet, mit behutsamen Strichen gab er ihnen hellbraunes Licht …
Da müssen sich Maria und die kleine Schar der Trauernden auf dem Weg zum Grab ausruhen, dachte Til betroffen. Nur einen Moment legen sie den Heiland nieder. Doch es war schon zu lange. Er strich mit beiden Händen das Haar zurück. Inzwischen ist seine Ruhestätte zerstört. Wohin jetzt? Wo wollt ihr den Heiland nun ins Grab legen?
25. Mai, Christi Himmelfahrt
Gleich nach dem Frühstück bestiegen die Herren wieder ihre Rösser. Sie hatten gut in den Zelten genächtigt. »Der Weg ist frei«, meldeten die Kundschafter. »Unser Voraustrupp hat saubere
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