Riemenschneider
nicht nur, er löste den Verzagten auch die Zunge. »Und wenn der Feind jetzt noch mal anrennt, dann brauchen wir doch die Haken und Handrohre. Sonst …«
»Sag es nicht, Sohn.« Rotenhan schlug ihm leicht gegen den Oberarm. »Wir gehen nicht unter. Du hast mein Wort. Und jetzt wollen wir denen da unten zeigen, dass wir sehr wohl noch munter sind.«
Seine Adjutanten brachten den Befehl zu jeder Artilleriestellung, und als unten in Würzburg die Glocke zwei Uhr geschlagen hatte, brüllten alle Kartaunen und schweren Geschütze noch einmal auf, der Donner hallte weit über den Main, und bald waren Hilferufe und Angstschreie aus der Stadt zu hören.
Warten. Der Schlosskommandant wartete noch eine Stunde, doch kein erneuter Angriff der Bauern erfolgte. »Ein Wunder«, flüsterte er. »Gegen einen dritten Sturmlauf hätten wir uns kaum noch wehren können. Ein Wunder hat uns gerettet.«
Sofort ließ er zwei große Feuer im Schlosshof entzünden, und in wechselnder Schicht mussten seine Schmiede neue Kugeln für die Hakenbüchsen und Handrohre gießen.
Es lief nicht so, wie Hans Bermeter geplant hatte. »Verflucht!« In der Küche schleuderte er einen Tonbecher gegen die Wand, stieß Lisbeth beiseite und stürmte in den Garten. Gleich folgte ihm Florian, blieb aber am Rand der Wiese zurück. Sein Hauptmann zertrampelte das Kräuterbeet. »Verflucht.« Der sorgsam eingefädelte Plan war zerplatzt.
Gestern war Florian Geyer mit zwei großen Notschlangen, Wagen, Pulver und Kugeln sowie Geschützmeistern zurückgekehrt. Ihn begleiteten einige Ratsherren aus Rothenburg, um über die wertvolle Leihgabe zu wachen. Einer von ihnen war Ehrenfried Kumpf, ein schlauer, lauter Mensch mit großer Redegabe, er hatte sofort nach einem Amt in Würzburg verlangt und es auch erhalten.
»Verdammt.« Bermeter schlug sich gegen die Stirn. »Warum hab ich auch diesen Dummkopf nach vorn geschoben.« Denn nicht seine Strohpuppe Balthasar Würzburger war zum neuen Schultheiß der Stadt erkoren worden, sondern dieser Fremde. Nun übernahm der Rothenburger Ehrenfried Kumpf die Herrschaft über Würzburg, er regierte die Bürgerschaft, verwaltete den Stadtsäckel und bestimmte, was Recht und Unrecht waren.
»Wo dieser Kerl jetzt sitzt, da wollte ich hin.« Bermeter kam zu Florian, griff ihn am Wams. »Mein Amt hat er sich genommen. Da red ich, renne von einem Viertel zum andern, sorge für Stimmung gegen die Pfaffen und Oberen.« Speichel stand in den Mundwinkeln. »Haben mir die Leute zugehört oder nicht? Nun sag schon!«
»Aber ja, gejubelt und geklatscht haben sie im Franziskanerkloster.«
»Na, also. Und dann sehen die Bauern unsern Balthasar, halten ihn für zu blöde und ernennen den Kumpf.« Der Spielmann äffte dessen Stimme nach. »Hört her, Leute. Ich sage nur: Das Schloss muss herab.« Scharf zischte er den Atem durch die Zähne. »Der Satz hat genügt, und nun steht mein Parlament hinter ihm, sogar einige vom alten Stadtrat sind sofort auf seine Seite rüber. Siehst du, so einfach hätte ich es gehabt. Nach all meiner Vorarbeit genügt dem Volk ein einziger Satz zur rechten Stunde. Aber …« Bermeter lachte bitter. »Vorbei. Die Chance kommt nicht wieder.«
Florian begriff die erregte Enttäuschung seines Meisters nicht. »Neulich hast du gemeint, es wär schlau abzuwarten, bis die Sache gut gegangen ist.«
»Nur wenn dieser Dummkopf oben geblieben wär.« Bermeter wedelte mit beiden Händen neben seinen Ohren, als wollte er die alten Gedanken verscheuchen. »Von jetzt an spielen wir ein neues Spiel.« Seine Miene hellte sich langsam wieder auf. »Schließlich wollen wir doch ein gutes Stück vom Kuchen einsacken. Und zwar bevor die Bauern ihn alleine fressen.« Er zwinkerte dem Adjutanten zu. »Ich weiß auch schon, bei wem wir anfangen.«
Die Freunde waren schnell informiert. Schnappenspengler und die Malerbrüder trugen leere Säcke unter dem Mantel, und Florian zog den Handkarren. Das Viertel, in dem die Kapitelherren wohnten, war beim nächtlichen Beschuss nicht getroffen worden. Nahe der Neumünsterkirche betätigte der Stadtpfeifer den Türklopfer am Hause des Domherrn Paulus Schroter. Nur einen Spaltbreit öffnete die Haushälterin.
»Gott zum Gruße.« Bermeter ließ seine Stimme frohlocken: »Einen wunderbaren Nachmittag wünsche ich, auch im Namen meiner gottesfürchtigen Kameraden.«
»Wir … wir haben schon gegeben.« Angst stand in den Augen. »Und Beichte nimmt der Pfarrer auch nicht mehr ab.« Sie wollte die Tür
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