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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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teilgenommen. Und auch keiner meiner Freunde hat sich daran beteiligt.«
Nach der Befragung war der Bildschnitzer in ein kleineres Loch gesperrt worden, eng zusammengepfercht mit weiteren zehn Männern. Vergeblich hatte er auf Martin gewartet. Der Stadtschreiber aber war in ein anderes Verlies gebracht worden. Zunächst hatte Til geglaubt, im Gestank von Urin und Kot ersticken zu müssen, doch mit schwindender Hoffnung stumpfte auch der Geruchsinn ab, und jeder Ekel verlor sich.
Jeden Abend öffnete der Wächter die Tür und stellte einen Eimer mit Wasser hin, beim Weggehen erst warf er einige Brote über die Schulter in den Kerker. Wie Tiere gierten die Gefangenen danach. Ein Kampf entbrannte, nicht laut, Stöhnen und Schluchzen begleiteten ihn. War es Til gelungen, ein Stück zu erobern, so stopfte er den Brotbrocken sofort in den Mund und hatte längst aufgehört, daran zu denken, dass es dieselben Finger waren, mit denen er nach Läusen kratzte, mit denen er nach der Darmleerung das Stroh zum Abwischen nutzte.
Unerwartet hatte der Wachposten vorhin die Zellentür geöffnet. »Riemenschneider! Raustreten!« Wie blind war Til in den hellen Schein getappt, fremde Hände packten nach ihm, und erst auf dem Weg hatte er begriffen, dass ihn der Henker zur Folterkammer führte.
Eine Treppe, an den Wänden flackerten Öllampen. Tief unten musste er mit den Knechten vor einem Gittertor warten, bis ihn der Henker hereinwinkte. »Alles hat seine Ordnung«, sagte er ohne jede Regung. »Alles geschieht dir, so wie es vorgeschrieben ist. Komm weiter!«
Auf dem Weg durch einen schmalen Gang verzögerte Til den Schritt. »Aber ich habe längst geantwortet.« Gleich schlug ihm einer der Knechte in den Rücken, und der Henker brummte: »Sag das den Herren, nicht mir! Ich tue nur meine Arbeit. Komm weiter!«
Im Raum saßen drei Männer hinter dem Tisch. Kerzen brannten vor ihnen. Til sah nur helle Gesichtflecke, mehr vermochte er nicht zu erkennen.
»Meister Tilman Riemenschneider, früher Stadtrat zur Würzburg, Er wird beschuldigt, sich an der aufrührerischen Empörung der Bauern beteiligt zu haben, ihnen Hilfe und Unterstützung gegeben und mit Verleumdungen das Unheil befördert zu haben. Dadurch hat Er sich der Bauern mörderischer und räuberischer Handlungen teilhaftig und schuldig gemacht.« Ein Finger stach zwischen zwei Kerzenflammen in seine Richtung. »Gesteht Er?«
»Nein. So wahr mir Gott helfe, ich bin mir keiner Schuld bewusst.«
»Um die Wahrheit zu finden, werden wir dich ernstlich prüfen.« Ein Fingerschnippen für den Scharfrichter. »Auf einstimmigen Beschluss dieses Tribunals hin soll der Gefangene hart gewogen und gemartert werden. Halte dich also nicht mit den einfachen Übungen auf. Tu deine Pflicht!«
Und der Henker nahm sein Opfer mit in den Nebenraum. Fackeln loderten. Im Auf und Ab des Lichtes zeigte er seine Werkzeuge, pries die Wirkung der spanischen Stiefel, der Daumenschrauben; leicht tätschelte er die Lehne des Stuhls mit den angespitzten Stiften als Sitzfläche. »Vielleicht hocke ich dich später noch auf meinen Beichtstuhl. Vielleicht …«
Er blieb vor der Streckbank stehen. »Zieh dich aus! Machst du’s freiwillig?« Er deutete auf seine Bluthunde. »Wenn nicht, dann helfen sie gerne nach.«
Til wandte den Kopf, sah die Stachelpeitschen in deren Fäusten und streifte selbst den Kittel ab.
Mit dem Rücken pressten sie ihn auf das harte Gestell, rissen die Arme über den Kopf, steckten die Handgelenke in Lederschlaufen und zurrten sie fest. Die Fußgelenke wurden in eine doppelte Eisenspange geschlossen. Ein Strick war daran befestigt. Der Strick gehörte zu einer Winde.
Beide Knechte stellten sich an die Kurbel. »Keine Angst, wir rupfen dich nicht in Stücke.«
Gedehnt, ärger heftiger … der Körper streckte sich, spannte sich … nicht weiter, Gott, mein Gott, sieh doch auf mich herab … ein heißer Schmerz durchglühte ihn. Reißen, wild zuckten Arme und Beine, Til spürte, hörte furchtbares Krachen in den Gelenken … in seinem Innern begann der Schrei, wucherte durch die Kehle, dann brüllte der Gequälte …
»So hör ich es gern.« Mit einem Wink befahl der Henker seinen Gehilfen innezuhalten und bat die Herren zur Streckbank.
Til lag da, die Augen geweitet, er sah die Gewölbedecke, verfolgte die dunklen Fugen der Steine, sie setzten sich zu einer schwarzen Fratze zusammen. Über ihm grinste der Satan, zeigte seine lange Zunge …
»Beantworte die Frage: Hat Er die Lügen in der

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