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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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mit dir reden.«
»Aber ich bin auf dem Weg zum Rathaus.«
»Bitte …« Der flehende Ton ließ ihn stocken, kurz zur Seite blicken, die Pflicht aber trieb ihn weiter. »Mein Töchterchen … Es tut mir leid, aber ich muss …« Sie hatten das Dunkel der überdachten Hofeinfahrt erreicht. »Können wir nicht ein anderes Mal reden, wenn ich mehr Zeit habe?«
»Aber du hast ja nie Zeit.«
»Ich arbeite zu viel, das ist wahr.« Er öffnete die Pforte im Torflügel. »Nun komm, begleite mich ein Stück, und erzähl mir unterwegs, was dich bedrückt.«
»Das ist schwer …« Gertrud zog die Zipfel ihres Schultertuches enger über dem Busen zusammen, helle Not stand in den Augen, runzelte die Stirn der jungen Frau. »Weißt du, Vater, wie alt ich bin?«
Ein Passant grüßte den Bildschnitzer und Baumeister. Til lächelte, neigte den Kopf. Und gleich darauf hieß es wieder: »Gott zum Gruß.« Und ebenso freundlich antwortete er. Als das Ende der Franziskanergasse erreicht war, wandte er sich wieder der Tochter zu. »Verzeih, was hast du mich gefragt?«
Gertrud sah zu ihm auf, ihre Lippen zitterten: »Ich bin schon siebzehn …«
»Meister Riemenschneider!« Ein Ratskollege winkte von der anderen Straßenseite herüber. »Ein schöner, warmer Tag heute, gerade recht für den Königsbesuch.«
»Das ist wahr.«
»Wir sehen uns gleich bei der Sitzung.« Eilig bog der Mann oberhalb des Fischmarktes in eine Nebenstraße ein.
»So, meine Schöne.« Noch ehe er mit den Gedanken bei ihr war, sprach er schon weiter: »Ein Geschenk also. Was wünschst du dir denn?«
Tränen schimmerten in ihrem Blick. »Du hörst mir ja doch nicht zu. Ach, Vater.« Gertrud wandte sich um. »Alle …«, schluchzte sie auf, »alle in dieser verdammten Stadt sind dir wichtiger.« Damit lief sie in die Franziskanergasse zurück.
Betroffen sah Til seiner Tochter nach. »Nein, mein Mädchen, das ist nicht wahr. Nur jetzt …« Er ging weiter. Bei nächster Gelegenheit werde ich in Ruhe mit dem Kind reden, nahm er sich fest vor, und dann darf uns niemand stören.
Gegen Mittag verließ Magdalena das Haus, in der Hand trug sie einen Wasserkrug. Florian und Katharina folgten ihr und schleppten den mit Kohlrabigrün hoch gefüllten Korb für die Kaninchen.
»Keiner darf alleine zu den Ställen.« Der Befehl galt für alle Kinder. Zwar waren ihr Sohn und das Mädchen sicher alt genug, um die Tiere zu füttern. Doch wenn Magdalena es ihnen erlaubt hätte, dann wären die drei Kleinen mit dem Verbot nicht mehr zu beeindrucken gewesen und sicher schon tags darauf heimlich zu den Hasen geschlichen. Dies durfte erst gar nicht anfangen; denn langohrige Spielkameraden mit weichen Näschen waren nun mal, wenn fett genug, nur mit Tränen und lautem Geschrei in Schlachtvieh zurückzuverwandeln.
Der Weg zu dem niedrigen Verschlag führte an Rupert vorbei. Er schälte bereits den vierten Stamm, und weil ihm heiß war, hatte er das Kittelhemd abgestreift und arbeitete mit bloßem Oberkörper. Magdalena wollte ihm etwas Spöttisches zurufen, als sie erschreckt innehielt. »O Heilige Mutter«, flüsterte sie. Ohne den Blick von seinem Rücken abwenden zu können, befahl sie Florian und Katharina: »Geht schon vor. Ich komme gleich mit dem Wasser nach.«
Erst nachdem beide hinter dem Pferdestall verschwunden waren, trat sie näher. Narben zogen sich bis hinauf zum Nacken und Hals, tiefe Furchen, bläuliche und schwärzlich rote. »Was ist …?«
Rupert fuhr zusammen und drehte sich um. »Hab dich nicht kommen hören.« Er sah den Krug. »Für mich …? Ich mein, du bringst mir was zu trinken?«
»Nein, das ist für die Kanin … Doch ja … sicher hast du Durst.«
Sie reichte ihm das Gefäß hinauf. Während Rupert tiefe Schlucke nahm, sich dann einen Schwall Wasser über den Kopf schüttete, entdeckte Magdalena die handtellergroßen Narben auf seiner Brust, dort, wo auf der linken Seite Warze und Hof sein sollten, klaffte ein Loch. Er wollte ihr den Krug zurückgeben, sie aber schüttelte langsam den Kopf. »Was ist dir zugestoßen?«
»Ach, das bedeutet nichts.« Fahrig bückte er sich nach dem Kittelhemd und zog es über.
»Sag es mir. Bitte!«
Er hob das Schäleisen an beiden Griffen hoch, legte es beiseite, und behutsam tätschelte er das helle Holz. »Der Meister meint, dass in einem der Stämme unsere Muttergottes schläft. Vielleicht in dem hier? Was meinst du?«
»Ich möchte es wissen.«
Rupert richtete sich auf, sein Gesicht schien einzufallen, die Augen groß und

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