Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
stumpf. »Sie kamen am Abend wieder. Durch die Hoftür und vorne rein …«
»Wer kam?«
»Wir saßen am Tisch, die Frau, meine beiden Mädchen und ich, da kamen … Die Blutzapfen waren es. Gleich fünf.«
Magdalena wagte kaum zu atmen. Das Bild in ihr erwachte wieder: Reiter in schwarzen Mänteln, die Gesichter verborgen unter den breiten Hutkrempen … die Kerle stiegen ab … drangen ins Haus ein … »Blutzapfen.« Nur ein Flüstern gelang.
»Dabei hatte ich mittags um Aufschub gebeten. Nur für einen Monat. Und sie waren einverstanden.« Rupert starrte ins Leere. »Ihren Spaß hatten sie die ganze Nacht. Und meine Mädchen haben nach mir geschrien, immer wieder. Aber ich konnte nicht helfen …« Als müsste er sich vor sich selbst rechtfertigen, setzte er hinzu: »Weil … mich hatten sie bei der Feuerstelle mit den Händen oben an den Haken für die Kesselkette gebunden. Nein, helfen konnte ich wirklich nicht.« Langsam rieb er die Narbe an seinem Hals. »Am Morgen waren alle tot, die Frau und meine Mädchen. Mich hatten sie einfach hängen lassen, weil sie dachten, ich hätte das Sengen und Stechen mit dem glühenden Schüreisen nicht überlebt.« Nach einer langen Pause sprach er weiter. »Erst wollt ich auch tot sein. Das ging aber nicht. Später bin ich dann weg von Estenfeld, weil … leben konnte ich da nicht mehr.«
»Hier bei uns bist du sicher. Hier gibt es keine Blutzapfen. Verflucht sollen die Äbte und feinen Herren sein, die solche Bestien auf uns arme Leute loslassen. Ach, wenn ich Macht hätte …« Magdalena nahm den Krug und presste ihn fest an sich. »Es tut mir unendlich leid. Das mit deinen Kindern, mit deiner Frau. Und all das da. Vielleicht heilen die Wunden, auch die da drinnen. Ich … ich wünsche es dir so sehr.« Sie fühlte die Tränen steigen, rasch wandte sie sich ab und eilte den Kindern nach. Im Schutz des Pferdestalls stöhnte sie auf: »O großer Gott, warum lässt du so was zu? Erst mein Jakob. Dann auch Rupert. Und all die anderen. Warum nur?«
Von weit her erschallten Fanfarenklänge. Rasch kamen sie näher. So lange erwartet, jetzt am späten Nachmittag war es endlich so weit. Die Schaulustigen rechts und links der Pleichacher Straße drängten dichter an die Seilabsperrung; sofort kreuzten vor ihnen Bewaffnete die Lanzen, bildeten einen undurchdringlichen Zaun; höchste Sicherheit hatte der Rat für den hohen Besuch angeordnet.
Auch außerhalb des Tors säumte Volk den Fahrweg. Gleich im Schatten des stark befestigten Wachturms stand Magdalena mit den Kindern auf der Ladefläche eines Gemüsekarrens.
Vor gut einer Stunde hatte die Bäuerin nur die Kinderköpfe gezählt. »Oje. Fünf Blagen musst du versorgen. Bist ein armes Ding. Na, dann klettert mal alle hoch. Hier bei mir könnt ihr unsern König Max besser sehen.« Dankbar reichte ihr Magdalena die drei Rotschöpfe an, Florian und Katharina wollten sich nicht helfen lassen, zuletzt stieg sie selbst hinauf.
Erst herzte die Alte den Jüngsten an ihrem Busen, bis Barthel sich mit Strampeln und Fäustestemmen befreite, dann zwinkerte sie Magdalena zu. »Diese jungen Kerlchen könnt ich so wegfressen. Wie die riechen. Und was für eine zarte Haut die haben. Und so fest das Fleisch.«
Jörg hatte mit offenem Mund zugehört. Langsam duckte er sich, griff heimlich nach den Händen seiner jüngeren Brüder und zog sie zur Kante der Ladefläche hinüber.
»Hiergeblieben!« Magdalena schnappte nach dem Kragen des Ältesten.
Da umhalste Jörg sie und flüsterte aufgeregt. »Nur weg hier. Das ist eine Hexe. Auffressen will die uns.«
»Aber nein, das hat die Frau nur so gesagt. Sie mag kleine Buben, aber nicht, um sie zu essen. Glaub mir, lieb ist die. Ganz bestimmt.«
Das Misstrauen war nicht ganz abgebaut, und so sorgte Jörg dafür, dass er mit den Brüdern direkt an der Seitenlade stand und zum Schutz Florian und Katharina im Rücken wusste.
»Bin nach dem Markt nicht heimgefahren. Hab meinen Wagen gleich hier abgestellt und die Kuh so lange rüber auf die Mainwiese gebracht.« Das Gesicht der Alten knitterte sich zusammen, vergnügt zwinkerte sie Magdalena zu. »Schlau bin ich immer schon gewesen. Den letzten Kaiser hab ich auch von hier gesehen. Das ist der beste Platz, der auf der rechten Seite, weil er hier vor dem Torhaus anhalten muss, wegen der Begrüßung. Und wenn ich deinen Kinderchen jetzt auch noch eine Freude machen kann, dann freut es mich noch viel mehr. Und jedes sieht so ordentlich aus. Bist schon eine

Weitere Kostenlose Bücher