Riesling zum Abschied
der Raumluft nehmen sogar Kunststoffverschlüsse diese Chemikalien an, die stecken auch in Paletten, und geben sie an den Wein weiter. Das heißt, dass der Spaß uns an die zwanzigtausend Euro kostet.«
»Die waren vorher sicher nicht in Ihrer Kalkulation?«
»Ich bitte Sie, wer denkt denn an so was ...«
Am Abend traf Philipp Achenbachs Freundin ein, eine sympathische Frau in Johannas Alter, die in Bad Dürkheim eine kleine Galerie und ein Geschäft für lokales Kunstgewerbe betrieb. Man traf sich im Kaminzimmer, einem großen Raum mit einem Esstisch, acht Stühlen und einem Klavier. Es roch ein wenig nach Farbe, obwohl die Fenster offen standen.
»Ah, die Öko-Verstärkung ist da«, meinte Verena Baederle zur Begrüßung. »Mit der geballten Wein-Wissenschaft an Bord kann nichts mehr schiefgehen. Da sind wir von der musischen Fraktion in der Minderheit.« Sie wandte sich an Manuel, die beiden schienen sich gut zu verstehen.
»Was hast du gekocht, was gibt es zu essen? Ich habe entsetzlichen Hunger.«
»Wir beginnen wie üblich mit einem Salat und einer Orangenvinaigrette, gnädige Frau, als Vorspeise bieten wir Ihnen unseren beliebten Auberginen-Auflauf, und anschließend serviert unsere international anerkannte Küche ein italienisches Gericht, ein Saltimbocca, das springt von ganz allein in den Mund, wie der Name schon sagt.« Manuel |76| verbeugte sich. »Kalbsschnitzel mit Salbei und Schinken, dazu ein Riesling-Risotto. Herr Achenbach pflegte ihn mit Champagner zuzubereiten, aber im Rahmen der Sparmaßnahmen wurde er gegen Riesling-Sekt ausgetauscht.«
Johanna staunte wieder, wie Manuel in dieser Umgebung aufging und dass er für das Essen zuständig war. »Ich wusste gar nicht, dass Sie so kochen können, Herr Stern.«
»Woher auch? Sie waren ja nie bei uns. Aber Professoren und Studentenschaft sollten sich nicht verbrüdern, höchstens außerhalb des Studienortes. Es könnte der Eindruck von Vetternwirtschaft entstehen, wo man heutzutage bereits Doktortitel und sogar Klausuren günstig kaufen kann. Außerdem ... irgendwo muss man ja mit seiner Liebe hin ...« Bei den letzten Worten, mehr vor sich hin gemurmelt, klang seine Verzweiflung durch.
Das ist sein zweites Ich, dachte Johanna. Er schwankt, er steht nicht sicher, er wahrt mit Mühe die Form. Sie sah sich um und hatte den Eindruck, dass alle am Tisch das Gleiche dachten wie sie.
»Lass uns den Wein dazu aussuchen«, sagte Thomas und zog den Freund am Arm aus dem Raum. Dass er so feinfühlig war, die momentane Stimmung wahrzunehmen, hätte Johanna ihm nicht zugetraut.
Verena Baederle legte Johanna die Hand auf den Arm. »Wissen Sie mehr über dieses Drama in Geisenheim, Frau Breitenbach? Philipp hat mir am Telefon davon erzählt. Sie sind näher dran, und was er weiß, das hat er von Thomas und Manuel.« Sie sah den Hausherrn besorgt an. »Eine furchtbare Geschichte, nicht wahr Philipp? Wer ist dieses Mädchen, vielmehr ... wer war sie?«
»Was in Geisenheim passiert, vielmehr an der Fachhochschule, das geht an mir vorbei.« Johanna erklärte ihr, dass sie nur einen Lehrauftrag hatte. »Und weil ich so selten da bin, habe ich erst vorgestern davon erfahren.«
»Für Manuel ist das eine Katastrophe ...«
|77| Johanna wunderte sich, wie hier alle um Manuel besorgt waren und dass sich niemand außer ihm für die Ermordete und das abscheuliche Verbrechen zu interessieren schien. Denn das war es, ein abscheuliches Verbrechen, egal, wie man zu Alexandra stand. Etwas Schlimmeres, als ein Leben zu vernichten, die einzige Chance, in der Ewigkeit ein wenig vom Universum zu erhaschen, gab es nicht. Und wenn Alexandra auch den Beschreibungen der hier Anwesenden entsprochen haben mochte, so hatte sie doch die Chance verdient, zu begreifen, zu lernen, zu erkennen. Aber alles war mit dem Mord vernichtet, jede Zukunft war genommen. Stellte sich nicht jedem sofort die Frage: Wer war der Mörder? Aber darüber sprach hier keiner. Würden Manuels Probleme nicht erst gelöst sein, wenn der Mörder überführt wäre?
Der Hausherr schlug vor, das Thema am Abend auszuklammern. »Wir sollten uns das Essen nicht verderben, zumal Manuel gekocht hat, und ein wenig Anerkennung und Ablenkung schadet ihm nicht. Es macht ihm immer noch zu schaffen, dass seine ... seine Freundin allgemein so wenig Anklang fand. Dass wir bei ihr keinen Anklang fanden, war uns egal. Sie hat sich ausgeschlossen und nicht umgekehrt. Sie tat so, als lebe sie in der
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