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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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dass dieses Aufgebot Manuel galt, und er blickte ihn voller Besorgnis an, wie er sich verzweifelt mit beiden Händen durchs Haar fuhr. Der Schweiß brach ihm aus. Als hätte Thomas eine Antwort auf die Frage, die in Manuels verzweifeltem Blick lag und die einfach nur WARUM? lautete, erwiderte er den Blick. Das Entsetzen in den dunklen Augen fuhr Thomas durch Mark und Bein. Wie viel Schmerz kann ein Mensch aushalten?, dachte er. Manuel hatte Todesangst – und gleichzeitig war der Blick ein lautloser |83| Schrei um Hilfe, es war die flehende Bitte eines Menschen, der sich nicht zu helfen wusste.
    Aber dieser Blick verwandelte ihn auch, er begriff: Er machte ihn stark, denn er besiegelte seinen Entschluss, alles, was in seiner Macht stand, für Manuel zu tun. Er hatte das Gefühl, wenn er ihn jetzt aufgäbe, wenn er ihm auch nur für den Bruchteil einer Sekunde misstrauen würde, dass er sich selbst aufgeben würde.
    Jetzt kam Sechser näher, und auch seine Beamten schlossen auf. War es ihm hoch anzurechnen, dass er Manuel nicht in der Hochschule verhaftet hatte, um ihm die Peinlichkeit einer solchen Situation zu ersparen? Nein. Für mitfühlend hielt Thomas den Kommissar nicht; er hatte wahrscheinlich gehofft, Manuel vor seiner Haustür sang- und klanglos einzusacken, wenn möglich ohne Zeugen. Dass er, Thomas, dabei war, hatte er nicht bedacht.
    Mechanisch bückte sich Manuel nach dem Karton und der Tasche und ging langsam weiter. Genau in dem Moment, als sie vor der Haustür standen, trat Sechser vor, vertrat Manuel den Weg und steckte die rechte Hand aus, als wolle er Thomas abwehren.
    »Herr Manuel Stern?«
    Manuel nickte ergeben. »Was soll die Frage?«
    »Ich nehme Sie wegen des dringenden Verdachts fest, Alexandra Lehmann getötet zu haben   ...«
    »Was für ein Unsinn«, entfuhr es Thomas. »Das ist voll idiotisch.«
    Sechser reagierte laut. »Sie halten den Mund! Das hier geht Sie überhaupt nichts an.«
    »Das ist Ihr zweiter großer Irrtum, Herr Oberkriminalhauptkommissar.« Thomas fühlte einen unbändigen Zorn und zog die Kampflinie. Er merkte, dass er Sechser verunsichert hatte, und der konnte sich nicht dazu durchringen ihn zu fragen, was Thomas für seinen ersten Irrtum hielt.
    |84| Thomas beantwortete die unausgesprochene Frage. »Ich sag’s Ihnen, Herr Sechser.«
    Der Kommissar biss sich auf die Lippe, er ärgerte sich, dass Thomas ihn durchschaut hatte.
    »Sie ermitteln in die falsche Richtung. Manuel Stern hat Alexandra nicht erschlagen. Sie verhaften ihn nur, weil Sie einen Erfolg brauchen und keinen anderen Täter vorweisen können.«
    »Ich bin sicher nicht der Erste, der Ihnen sagt, dass Sie ein arroganter Klugscheißer sind.«
    »Doch Herr Sechser, das ist originell, vor Ihnen ist niemand darauf gekommen.«
    »Sollten Sie unsere Ermittlungen in irgendeiner Weise behindern«, die letzten Worte waren eindeutig als Drohung gemeint und auch an Sechsers Begleiter gerichtet, um sie auf ein mögliches Eingreifen vorzubereiten, »dann werde ich nicht zögern, Sie festnehmen zu lassen. Das habe ich Ihnen angekündigt, und ich mache es wahr. Jetzt gehen Sie zur Seite!«
    »Stehe ich Ihnen im Weg, Herr Sechser?« Thomas sah neben sich auf den Boden. Nein, einschüchtern ließ er sich von dem Würstchen nicht.
    Der Kommissar ignorierte ihn, griff in die Innentasche seines Sakkos und zog einen Umschlag heraus, dem er ein Papier entnahm. Er hielt es Manuel hin. »Der Haftbefehl! Es besteht Flucht- und Verdunkelungsgefahr.«
    Thomas blickte Manuel an, er hoffte inständig, dass es nicht zu einer Kurzschlusshandlung kam. Wie eine schwere große Stahltür, die langsam zufiel, verschlossen sich Manuels Augen. Ein unsichtbarer Panzer legte sich um ihn.
    »Darf ich meine Zahnbürste mitnehmen?« Er reichte den Haftbefehl an Thomas weiter.
    »Wir kommen mit rein. Packen Sie zusammen, was Sie brauchen, Wäsche und so   ...« Sechser konnte also auch verbindlich sein. Oder war es Unsicherheit?
    |85| Manuels Verhaftung blieb nicht unbemerkt. Nachbarn traten in ihre Vorgärten, starrten herüber, tuschelten vor Garageneinfahrten, und an den Fenstern bewegten sich die Gardinen. Jetzt haben sie ihren Mörder, dachte Thomas, aber den wirklichen Mörder haben sie nicht – ein Gedanke, der ihn mit Schadenfreude erfüllte.
    »Ich wohne auch hier.« Thomas knurrte einen Polizeibeamten an, der ihn zurückhalten wollte, als sich die Gruppe in Bewegung setzte. Er folgte den Beamten mit Manuel an der Spitze, der wie in

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