Riesling zum Abschied
war einfach, er würde sich dreiteilen. Weingut, Studium und Manuel, nur in welcher Reihenfolge?
Er musste den wahren Täter finden. Dabei würde ihm Pascal Bellier helfen können, der französische Kriminalbeamte, mit dem er damals in der Champagne Freundschaft geschlossen hatte. Zu ihm hatte er weit mehr Vertrauen als zu Dr. Anlahr. Aber der war im deutschen Rechtssystem besser bewandert. Vielleicht hatte sein Vater doch recht?
»Bist du noch da? Wir werden sehen, mein Junge, wir werden sehen, was wir tun können ... dann ruf jetzt Manuels Vater an!«
»Bitte verbinden Sie mich mit Herrn Stern«, sagte Thomas zu der Dame und versuchte, seiner Stimme einen seriösen Klang zu geben. »Es ist ungemein dringend.« Er stellte sich vor.
»In welcher Angelegenheit bitte?«
»Es ist rein privat.« Wozu sollte er dieser fremden Frau auf die Nase binden, dass der Sohn ihres Chefs unter Mordverdacht |93| verhaftet worden war? »Es ist absolut vertraulich und rein persönlich«, fügte er hinzu.
»Herr Stern möchte nicht gestört werden, er ist in einer Besprechung. In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?«
»Ich bin der Freund seines Sohns, ein Studienkollege, wir wohnen zusammen.« Vielleicht kam das bei dem Vorzimmerbesen besser an. »Sein Sohn – äh – hat mich beauftragt, mit seinem Vater Kontakt aufzunehmen, sofort.«
»Wieso wendet der sich nicht selbst an ihn? Wenn es sein Sohn ist, verfügt er sicher über eine Durchwahl.«
Es war offensichtlich, dass ihn die Sekretärin nicht ernst nahm, oder sie hatte Order, jeden Unbekannten abzuwimmeln. Thomas wusste gar nicht, in welcher Funktion Herr Stern tätig war, Manuel hatte nie darüber gesprochen, jedenfalls schien er ziemlich weit oben zu sein. Im Vorstand? Das fängt total bescheuert an, dachte Thomas und versuchte es wieder.
»Manuel hat mir diese Nummer gegeben und mir aufgetragen, anzurufen. Oder geben Sie mir die E-Mail -Adresse seines Vaters, dann wird er sein blaues Wunder erleben, wenn er den Grund erfährt. Und Sie auch.«
Das war ein Fehler. Bleib cool ...
»Sie vergreifen sich im Ton, junger Mann ...«
»Sein Sohn Manuel ist verhaftet worden. Kapiert? Manuel ist mein bester Freund – und da soll ich ruhig bleiben? So – jetzt geben Sie mir endlich seinen Vater!«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Es ist wohl besser, ich rufe bei Herrn Stern an, als dass es die Polizei tut.«
»Oh – einen Moment bitte, ich frage nach, ob er mit Ihnen sprechen will.«
Wie war der Vater, wenn seine Sekretärin sich bereits wie ein Kettenhund aufführte?
Nach zwanzig Sekunden meldete sich eine unfreundliche Stimme mit »Stern!?«.
|94| Sie signalisierte dem Anrufer, dass er keinesfalls willkommen war, bei einer wichtigen Arbeit störte und sich verdammt noch mal kurz fassen sollte. Kalt und hart war die Stimme, distanziert und darauf angelegt, andere einzuschüchtern oder abzuschrecken.
Thomas atmete tief durch. Bleib cool, Mann, sagte er sich, bleib cool ... Er musste die ganze Wahrheit in einen einzigen Satz legen, damit dieser Herr ihn nicht unterbrechen konnte.
»Ihr Sohn hat mich gebeten, Sie darüber zu verständigen, dass er soeben wegen Mordes an seiner Freundin verhaftet wurde. Aber er ist unschuldig.« Puh, das war geschafft, Auftrag ausgeführt. »Sie möchten sich bitte um einen Anwalt kümmern.«
»Wer sind Sie?«, kam es ungerührt zurück. »Es könnte jeder anrufen.«
Thomas erklärte es ihm.
»Ach – Sie sind das von – diesem Öko-Weingut in der Pfalz.« Die Betonung von »Öko« zeigte, dass Manuels Vater nichts davon hielt. »Scheint mir bei derartigen Folgen kaum der geeignete Umgang für meinen Sohn zu sein. Was soll das mit der Verhaftung, wo hat Manuel sich hineinmanövriert?«
»Er hat sich nirgends hineinmanövriert«, entgegnete Thomas, wütend darüber, dass Stern, ohne die geringste Kenntnis des Hintergrunds, gleich Manuel die Schuld gab. Es würde alles andere als ein Vergnügen sein, mit dem Mann zu kooperieren, doch was blieb ihm übrig? »Manuel hat sich in die falsche Frau verliebt, und die wurde umgebracht.«
»Wieso wurde er verhaftet, wenn er unschuldig ist?«
»Er hat sie angeblich als Letzter lebend gesehen. Er hat kein Alibi, er war zur Tatzeit ...«
»Wie, wann und wo ist es passiert?«, unterbrach ihn Manuels Vater barsch, »geben Sie mir einen Bericht, mit dem ich was anfangen kann!«
Thomas fühlte sich wie zum Rapport bestellt. Unter diesen |95| Umständen musste er Stern
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